Italien 1977
Regie:
Sergio Martino
Darsteller:
Maurizio Merli,
John Steiner,
Philippe Leroy,
Sonja Jeannine,
Donald O'Brien,
Antonio Casale,
Enzo Fiermonte,
Rik Battaglia
„Sind
Sie der Sheriff?“ - „Sind Sie der Präsident?"
Inhalt:
Irgendwann
im Wilden Westen: Der knallharte Kopfgeldjäger Mannaja [Maurizio
Merli], der meistens per Wurfbeil auf die Jagd geht, kommt in die
ungastliche Stadt Suttonville. Er will Burt Craven [Donald O'Brien]
abliefern, einen gejagten Schwerverbrecher, den er bereits um eine
Hand erleichterte. Wider Erwarten gibt es hier aber weder einen
Sheriff, noch irgendeinen anderen Ordnungshüter. Der Ort wird
stattdessen vom skrupellosen Ed McGowan [Philippe Leroy] beherrscht,
der sich mit dem Abbau von Silber eine goldene Nase verdient. Als
Mannaja davon erfährt, lässt er seinen Gefangenen wieder frei.
McGowan ist für ihn nämlich der viel größere Fisch: Der
scheinheilige Unternehmer trägt die Schuld am Tode von Mannajas
Familie. Kurz nach Ankunft gerät er auch schon mit McGowans
Handlanger Valler [John Steiner] aneinander: Erst besiegt er ihn beim
Kartenspiel, dann gewinnt er das Duell gegen dessen Männer. Diese
Schmach kann der eitle Valler nicht auf sich sitzen lassen: Er lockt
Mannaja in einen Hinterhalt, den dieser fast mit dem Leben bezahlt.
Doch der halbtote Kopfgeldjäger wird von umherziehenden
Schaustellern gerettet und gesundgepflegt. Währenddessen entdeckt
McGowan, dass Valler die ganze Zeit gegen ihn gearbeitet hat. Als er
zwecks Lösegelderpressung dessen Tochter Deborah [Sonja Jeannine]
entführt, engagiert der verzweifelte Vater ausgerechnet Mannaja, um
sein Kind zu retten. Mannaja nimmt den Auftrag an. Noch ahnt er
nicht, dass mehr hinter der Sache steckt.
Kritik:
Es
waren vor allem Sergio Leones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR [1964] und
Sergio Corbuccis DJANGO [1966], die Mitte der 1960er Jahre die
Weichen für eine fast völlig neue Spezies stellten:
Der Italo-Western, der dreckige, kleine Bastard einer bis dahin
eigentlich uramerikanischen Gattung, lockte das Publikum mit einem neuartigen Grad an Gewalt und Zynismus in die Kinosäle und ließ somit gewaltig die Kassen klingeln. 10 Jahre später waren nicht nur
unzählige Statisten tot, auch das Genre lag im Sterben.
Jeder Pistolero hatte sich inzwischen gerächt, jede Banditenbande
war gegeneinander ausgespielt und Bud Spencer und Terence Hill hatten
längst die Bühne betreten, um mit Keile und Klamauk festgefahrene
Klischees zu entstauben. Bevor das letzte Pulver dann wirklich
verschossen war, bäumten sich allerdings drei Werke noch mal richtig
auf, um verbleibenden Fans späte Satisfaktion zu liefern: VERDAMMT
ZU LEBEN, VERDAMMT ZU STERBEN [1975] von Lucio Fulci, KEOMA –
DAS LIED DES TODES [1976] von Enzo G. Castellari sowie der
vorliegende MANNAJA - DAS BEIL DES TODES, der gleich in
mehrfacher Hinsicht überraschen konnte. Zum einen hätte wohl
niemand damit gerechnet, dass Regisseur Sergio Martino [→ DIE FARBEN DER NACHT], der sich zu diesem Zeitpunkt ein festes
Standbein im Bereich des Kriminal- und Copfilms erschaffen hatte,
nach DER TOD SAGT AMEN [1970] noch einmal den Taktstock für
eine raubeinige Bleioper schwingen würde. Und zum anderen kam er
dafür auch noch mit einem Hauptdarsteller ums Eck, der zuvor gefühlt
noch niemals etwas anderes gespielt hatte als den ruppigen
Rache-Bullen im Killer-Modus: Schnauzbart-Vertreter Maurizio Merli [→
DIE GEWALT BIN ICH].
Verinnerlicht
man sich allerdings, wie sehr der Western und der Polizeifilm
thematisch miteinander verbandelt sind, ist die Besetzung nur auf den
ersten Blick ungewöhnlich. Statt durch den Dschungel der Großstadt
pflügt Merli hier nun eben durch die Botanik des Wilden Westens, um
flüchtige Verbrecher hopszunehmen und sie, nicht zwangsläufig
unversehrt, der sogenannten Rechtsprechung auszuliefern. Getreu
gängiger Genre-Regeln geht er dabei – konform zu seinen bekannten
Einsätzen mit Marke und Uniform – weder zöger- noch zimperlich zu
Werke: Wer Widerstand oder Fluchtversuche wagt, muss mit ernst- und
schmerzhaften Konsequenzen rechnen. Effektiv vermittelt wird das
durch einen grandios inszenierten Auftakt, der eine zum Schneiden
dichte Atmosphäre der Ungastlichkeit und Brutalität kreiert und
ohne jede Mühe Assoziationen zum Horrorfilm zulässt: Dichter Nebel
wabert durch die Wälder, ein Mann rennt in blanker Panik durch die
Sümpfe, sein berittener Verfolger nähert sich unerbittlich in
nervenzerrender Zeitlupe. Eine kurze Verschnaufpause wird dem
Gejagten schließlich zum Verhängnis: Die Silhouette des
unheimlichen Reiters erscheint im trüben Dunst, ein fliegendes Beil zerschneidet erst die Luft und dann dem in Angst erstarrten Opfer den rechten Arm, dem fortan die dazugehörige Hand fehlt.
Effektiver
kann man einen kompromisslosen Antihelden kaum einführen.
Denn der Jäger hoch zu Ross war natürlich Titelfigur 'Mannaja', der
kaltblütige Kopfgeldjäger, den eine geisterhafte Aura umwabert und
der in der Regel lieber zum Beil als zur Bleipuste greift. Die
Intensität dieser im wahrsten Sinne einschneidenden Eröffnung wird
nachfolgend zwar nicht mehr erreicht, schaurig-schöne 90 Minuten
erwarten einen dennoch. Zwar taten Sergio Martino und Co-Autor Sauro
Scavolini [→ 10.000
BLUTIGE DOLLAR]
im Grunde nichts anderes, als sattsam bekannte Versatzstücke neu
aufzukochen und auskömmlich zusammenzufügen. Das geschah jedoch dermaßen selbstbewusst und technisch versiert, dass
kaum Grund zur Klage besteht. Dennoch liegen die Stärken eindeutig nicht bei der Story, die arg episodenhaft und zerfasert
daherkommt. Scheint Mannaja im einen Augenblick noch tiefsitzende
Vergeltungsgelüste zu hegen (ohnehin fällt ihm reichlich spät ein,
dass er sich ja noch für etwas rächen muss – man fragt sich, warum
er die Sache nicht schon längst mal angepackt hat), arbeitet er im
nächsten Moment ohne nennenswerte Motivation mit seinem vorgeblichen
Erzfeind zusammen. Sein in dramaturgischer Hinsicht sehr früh
erfolgender Beinahetod bleibt im Nachhinein nahezu folgenlos und ist
bereits wenige Szenen später auch kein Thema mehr. Und auch der Plan
des fiesen Vasallen Valler (der nach Einführung schnell die Rolle
des eigentlichen Oberschurken einnimmt) erscheint vom Skript in
Sachen Sinn und Schlüssigkeit ein wenig vernachlässigt: Warum
entführt er ein Mädchen, um Lösegeld von seinem eigenen Boss zu
erpressen, wenn er tagtäglich von dessen Reichtümern umgeben ist
und er sich eigentlich nur zu bedienen bräuchte?
Derartige
Fragen darf man sich ruhig stellen, wirklich zielführend wäre das
allerdings nicht. MANNAJA
bezieht seinen Reiz nämlich weniger aus seiner Geschichte, sondern
in erster Linie aus den aus ihr konstruierten Situationen und
Stimmungen. Der Nihilismus feiert neue Triumphe im kargen Städtchen
Suttonville, das hier als Schauplatz dient und in dem die Arbeiter in
den Silberminen vom tyrannischen Großgrundbesitzer Ed McGowan (Philippe Leroy [→ MILANO KALIBER 9]) gnadenlos geknechtet werden. Dieser allerdings sieht sich selbst als
gottesfürchtigen Menschen und lässt die Damen einer
Schaustellertruppe, die ihm zu lockere Lebensauffassungen mitbringen
(man könnte auch sagen: die ein wenig Freude ins Leben bringen
könnten), öffentlich auspeitschen. Hintergangen wird er von seinem
eigenen Helfershelfer Theo Valler (John Steiner [→ FLUCH DES VERBORGENEN SCHATZES]), der ihm erst das abgebaute Silber
raubt, dann dessen Tochter, und schließlich dessen Status als
örtlicher Alleinherrscher. Ein Tyrann wird ersetzt durch den
nächsten, der sich dann als noch schlimmer als sein Vorgänger
erweist. Ausgerechnet Schwerverbrecher Burt Craven (Donald O'Brien [→ LAUF UM DEIN LEBEN]), dem Mannaja zu
Beginn so schwungvoll das Greifwerkzeug entfernte, scheint im Laufe
der Ereignisse den Kreislauf der Niedertracht durchbrechen und Werte wie Mitleid und Menschlichkeit in Erinnerung rufen zu wollen. Aber sicher sein darf man sich da auch nicht, denn
Vertrauen endet meist tödlich.
Das
pessimistische Weltbild MANNAJAs wird unterstützt durch geschickte
inszenatorische Raffinessen (wie eine Parallelmontage
zwischen einer burlesken Tanzdarbietung und einem blutigen Massaker,
bei der die im Kugelhagel sterbenden Personen ihr eigenes
Todesballett aufs Parkett zu legen scheinen), fiese Foltermethoden
(Mannaja wird bis zum Hals im Sand eingegraben und gezwungen,
stundenlang in die gleißende Sonne zu starren) und Sequenzen
wahrlich infernalischer Kaltblütigkeit (aufständische Arbeiter
werden per MG-Beschuss gnadenlos niedergemäht). Dazu gesellen sich prominente Elemente wie Schlägereien im Schlamm, heulende Winde und kriechende Kälte. Nein,
MANNAJA ist kein verspätetes Meisterwerk. Dazu bringt er zu wenig
eigene Ideen und klare Linien mit. Aber er vereint nochmal all das,
was Fans an einem Genre so liebten, bevor der Vorhang dann wirklich
fiel. In hochwertiger Präsentation. Ziemlich geil, das Beil!
Laufzeit: 99 Min. / Freigabe: ab 18
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