China 2010
Regie:
Yuen Woo-Ping
Darsteller:
Vincent Zhao Wen Zhuo,
Andy On Chi-Kit,
Zhou Xun,
Guo Xiaodong,
Michelle Yeoh,
Jay Chou Kit-Lun,
Gordon Liu,
David Carradine
Inhalt:
Su Chan [Vincent Zhao Wen Zhuo], siegreicher Krieger des Kaisers, gelingt es mit seinen Männern, den Prinzen aus der Hand von Landesfeinden zu befreien. Sein Adoptivbruder Yuan [Andy On] neidet ihm den Erfolg selbst dann noch, als Su seine Beförderung an ihn abtritt, um fern vom Kriegsgetümmel eine Familie zu gründen – ausgerechnet mit Yuans Schwester Ying [Zhou Xun]. Nach fünf Jahren stattet Yuan Sus Familie einen Besuch ab – und tötet dessen Vater. Fassungslos vor Zorn will Su sich rächen, doch Yuan beherrscht mittlerweile die tödliche Kampfkunst der 'Faust der fünf Gifte'. Schwer angeschlagen gelingt es ihm und Ying zu fliehen, während ihr gemeinsamer Sohn in der Hand von Yuan zurückbleibt. In den Bergen werden Su und Ying von der Heilerin Yu [Michelle Yeoh] gerettet und gesundgepflegt. Doch Su hat seinen Lebenswillen verloren und verfällt schließlich dem Wahnsinn. In seiner Fantasiewelt begegnet er jedoch bald dem 'Gott des Wushu' [Jay Chou]. Dieser fordert ihn immer wieder zu Kämpfen heraus. Sein Ehrgeiz wird wieder geweckt, und es beginnt ein jahrelanges Training, in welchem Su einen neuen, nie dagewesenen Kampfstil entwickelt …
Kritik:
Bettler Su – eine (zumindest in ihrer Heimat) populäre Figur des Hongkong-Kinos – war bereits vor TRUE LEGEND Protagonist verschiedener Martial-Arts-Streifen. Ihre Leinwand-Premiere erlebte die auch als Drunken Master bekannte Figur (damals von Yuen Siu-Tin verkörpert) im Jahre 1978 mit SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER, in welchem sie Jackie Chan als Volksheld Wong Fei-Hung das Drunken Boxing lehrte. Aufgrund des überragenden Erfolgs der launigen Kung-Fu-Komödie entstanden in den darauffolgenden Jahren massenhaft ähnliche Werke, welche den Kult um die Person immer weiter ausbauten. TRUE LEGEND erzählt, wie aus dem einst stolzen General Su Chan überhaupt erst der alte Alko-Zausel wurde und stellt somit strenggenommen die Vorgeschichte der früheren Produktionen dar. Waren diese jedoch meist eher komödiantisch angelegt und oftmals auch von einer unbedarften (und besonders für das westliche Publikum gewöhnungsbedürftigen) Infantilität geprägt, steht TRUE LEGEND ganz in neujahrtausendlicher Hongkong-Kino-Tradition, das, nach erfolgter Rückgabe der Metropole an China, zahlreiche prestigeträchtige, doch unterschwellig propagandistische Historien-Epen produzierte, die, meist auf stark idealisierende Art und Weise den Werdegang eines tatsächlichen oder behaupteten Nationalhelden erzählend, die vermeintliche Größe und Überlegenheit der sozialistischen Nation in den Köpfen des Publikums verankern sollten. IP MAN sei an dieser Stelle genannt, KONFUZIUS oder auch das sich so harmlos gebende Jackie Chan-Vehikel LITTLE BIG SOLDIER.
So
zwiespältig der politische Hintergrund, so gekonnt jedoch auch das
Handwerk der chinesischen Filmschaffenden. TRUE LEGEND wurde
von Yuen Woo-Ping in Szene gesetzt – eine Rückkehr zu den Wurzeln
quasi, wurde doch über 30 Jahre zuvor bereits Sus erster Auftritt
in SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER von dem renommierten
Regisseur verwirklicht. Weltweiten Ruhm erlangte Yuen (der dem
Regiestuhl bis zu TRUE LEGEND 15 Jahre abtrünnig war) durch
seine Choreographien zu internationalen Erfolgsproduktionen wie
MATRIX, TIGER & DRAGON oder KILL BILL,
die ihn zu einer der gefragtesten Adressen Hollywoods werden ließen.
So verwundert es wenig, dass sich auch TRUE LEGEND in
Sachen Martial Arts absolut kompetent gibt. Zwar wäre grundsätzlich
etwas weniger Unterstützung durch Seil und Rechner wünschenswert
gewesen, doch Zugeständnisse an die Neuzeit müssen halt gemacht
werden.
Deutlich
mehr Probleme hatte Yuen mit der Schauspielführung: Selbst bei
dramatischsten Schicksalsschlägen wirken seine Darsteller
irritierend unbeteiligt und ihre Versuche, Emotionen in passende
Worte zu kleiden, lässt sie oftmals nur noch hilfloser erscheinen. Ohnehin
sind die Dialoge eines der nächsten Defizite, glänzen sie doch häufig durch geradezu lachhafte Einfachheit
(„Weißt du, was du bist? Ein elender Mistkerl!“).
Möglicherweise zumindest in Teilen der Übersetzung
geschuldet, dürfte auch das Original weit entfernt von großer
Dichtkunst sein. Als
Hauptdarsteller sieht man Zhao Wen-Zhuo, welcher bereits ziemlich
blass wirkte, als er einst im vierten Teil von ONCE UPON A TIME IN
CHINA Jet Li in der Rolle des Wong Fei-Hung beerbte. Wirklich
überzeugendes Spiel bleibt Zhao zwar erneut schuldig, doch reicht
seine Darstellung völlig aus, um beim Publikum die nötige Sympathie
zu erwecken. Der
Part seines Widersachers ging an Andy On, welcher in Daniel Lees
THREE KINGDOMS bereits historische Luft schnuppern durfte. In
deutscher Fassung unglücklicherweise mit recht unpassender
Synchronstimme gestraft, gleicht seine Schurkenrolle hier einer
realitätsfernen Karikatur: Die Faust mit tödlichem Gift getränkt,
die Haut mit undurchdringlicher Panzerung verbunden, gibt er als
fleischgewordener Anime-Bösewicht dem Affen kräftig Zucker. Dabei
hat er zwar nicht großartig viel mehr zu tun, als dauerböse aus der
Wäsche zu gucken, doch das gelingt ihm durchaus überzeugend. Freunde
des Hongkong-Kinos freuen sich über die Mitwirkung Michelle Yeohs
[→ DER MORGEN STIRBT NIE], auch wenn ihre interessante
Rolle im Grunde völlig verschenkt wurde. Ebenso klein wie fein
geriet auch der Auftritt David Carradines, welcher einem nach KILL
BILL erneut auf böser Seite begegnen darf.
Inhaltlich
zerfällt TRUE LEGEND in zwei Teile (auch unterschiedlich
benannte), was dazu führt, dass das eigentliche Thema, die
Bettler-Werdung nämlich (einhergehend mit der eher zufällig
entstehenden Kampftechnik der Trunkenen Faust), erstaunlich spät
eingeführt wird. Auch
dramaturgisch unterscheiden sich beide Hälften recht stark: Erzählt
der Anfang noch eine tragische Familiengeschichte mit anschließender
Reise eines vom Verlust gebeutelten Mannes in die mentale Katharsis,
erscheint der zweite Teil als genreübliche Prügelarie, in welcher,
patriotisch angehaucht erneut bewährte Feindbilder nutzend, einmal
mehr böse W(r)estler als Zielscheibe herhalten müssen. Fantastisch
umgesetzt wurde dabei der schleichende Wahnsinns Sus, seine Flucht in
imaginäre Bilderwelten, sein Kampf mit dem Wushu-Gott (welcher
eigentlich der Kampf um seinen eigenen Überlebenswillen ist), seine
damit verbundene psychische Reinigung, gekleidet in surreale,
alptraumhafte Bilder.
Doch
auch abseits seiner optischen Reize erhebt sich TRUE LEGEND
in manchen Momenten zu wahrer Größe: „Ich
habe schon immer nur das bekommen, was du nicht haben wolltest“,
kommentiert der eifersüchtige Yuan resigniert die Gefälligkeit
seines Bruders, ihm Rang und Ruhm abzutreten. Als Yuan Jahre
später, umrahmt von Getöse und Feierlichkeit, als strahlender
Kriegsheld zu seiner Familie zurückkehrt, hoffen alle Beteiligten,
sein Zorn habe sich verflüchtigt. Alles scheint in Ordnung. Doch
dann fängt die Kamera für einen kurzen Moment Yuans geballte Faust
ein. Ein paar Sekunden nur, doch sofort ist klar: Dieser Abend wird
in einer Tragödie enden. Ähnlich
effektiv geriet auch die nachfolgende Sequenz, in welcher sich Yuan
und sein Adoptivvater im Kreise ihrer Angehörigen gegenseitig
belauern: Oberflächlich vermeintliche Belanglosigkeiten
austauschend, führen sie in Wahrheit ein unterschwelliges
Hassgespräch, bei welchem einer von beiden schon längst weiß, dass
er in wenigen Minuten sterben wird.
Es sind Momente wie diese, die man sich etwas häufiger gewünscht hätte. Doch auch, wenn zur ‚wahren Filmlegende‘ noch ein wenig Feinschliff fehlt, gefällt TRUE LEGEND durch Ernsthaftigkeit, Epik und optischen Eindruck. Der Trunkene Meister ist auch nüchtern einen Blick wert.
Laufzeit: 110 Min. / Freigabe: ab 16
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen