Eigene Forschungen

Mittwoch, 15. Januar 2020

DER GEHEIMBUND DER TODESKRALLE


DA SHA SI FANG
Hongkong 1980

Regie:
Chang Cheh

Darsteller:
Philip Kwok,
Wang Li,
Sun Chien,
Chiang Sheng,
Lo Meng,
Lu Feng,
Linda Chu Hsiang-Yun,
Wang Han-Chen



Inhalt:

China, Ming-Dynastie: Das Kaiserhaus ist schwach. Unter den Generälen der Garde ist ein Machtkampf um die Herrschaft in den einzelnen Provinzen ausgebrochen. Vor allem im Norden des Landes regieren Viele mit unerträglicher Grausamkeit. Die Städte des Südens werden den daraus resultierenden Flüchtlingsströmen kaum noch Herr. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch Wong Shu [Philip Kwok], Yu Han [Chiang Sheng] und Jin Cheng [Lo Mang], die unabhängig voneinander in die befestigte Stadt kommen, sich bald kennenlernen und erst Freund-, dann Blutsbrüderschaft schließen. Ihren Treueschwur müssen sie nur kurze Zeit später bereits unter Beweis stellen, als sie Spielball einer infamen Intrige werden: Oberst Cheng [Wang Han-Chen], der abberufen war, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen, wird von den Bandenchefs Chen Zu Guan [Lu Feng] und Pan Feng [Wong Lik] ermordet, die lieber jemand anderen an der Macht sähen. Als Wong, Yu und Jin die Tat in die Schuhe geschoben wird, werden die drei kampferprobten Freunde nicht nur von den eigentlichen Mördern, sondern bald auch von der halben Stadt gejagt. In ihrer Not sehen sie nur noch einen Ausweg: Sie müssen sich weiter in den Süden durchschlagen, um sich der Rebellion anzuschließen. Eine gnadenlose Flucht beginnt.

Kritik:

Die Five Venoms, oder im Deutschen Die unbesiegbaren Fünf, waren das späte Aushängeschild der Kult-Kung-Fu-Fabrik Shaw Brothers (Hong Kong) Limited. Nachdem die populäre Produktionsstätte in den 70ern ein paar der größten Genre-Klassiker überhaupt hervorbrachte, war sie trotz jahrelanger Fleiß- und Fließbandarbeit selbst Anfang der 80er noch immer nicht dazu bereit, so einfach die Fäuste Flinte ins Korn zu werfen. Da die großen Stars des Studios aber mittlerweile abgedankt waren oder kürzer traten, installierte man kurzentschlossen ein paar neue Galionsfiguren, um das Publikumsinteresse weiterhin aufrecht zu erhalten. Und so durfte das Quintett Philip Kwok [→ DER CLAN DER NINJA], Lo Meng [→ DER TODESSCHREI DES GELBEN TIGERS], Lu Feng [→ DAS HÖLLENTOR DER SHAOLIN], Sun Chien [→ IM GEHEIMDIENST DES GELBEN DRACHEN] und Chiang Sheng [→ DAS GRABMAL DES SHAOLIN] ins Rampenlicht rücken, nachdem die Darsteller jahrelang lediglich mit Neben- und Statistenrollen abgefertigt wurden. Die Abenteuer der Venoms liefen stets ähnlich ab, und auch DER GEHEIMBUND DER TODESKRALLE bildet keine Ausnahme: Die fünf Kämpfer verkörpern jeweils passgenau auf sie zugeschnittene Figuren mit prägnant skizzierten Persönlichkeitsmerkmalen, die durch höhere Mächte (und spitze Autorenfedern) zusammengeführt werden und sich im Zuge zahlreicher artistischer Auseinandersetzungen bewähren müssen. Nicht immer stehen sie dabei allerdings auf der selben Seite. Hier bekleidet das Dreiergespann Lo Mang, Chiang Sheng und Kuo Chui den guten Kader, während Lu Feng und Sun Chien als deren Widersacher agieren. Viel Mühe, komplexe Charaktere zu entwerfen, gab man sich dabei nicht. Die mittellosen, herzensguten Flüchtlinge sind auf Anhieb als Sympathieträger ausgemacht, die Gegenseite erweckt Abscheu durch Zynismus, Verschlagenheit und Menschenverachtung.

Dass die Erzählung trotz Mangel an Kreativität und großer Vision gut funktioniert, liegt an der bemerkenswerten Routine, mit der die Crew um Altmeister Chang Cheh [→ ZEHN GELBE FÄUSTE FÜR DIE RACHE] die Ereignisse auf Zelluloid bannte. Das Tempo ist hoch, die Story um eine politische Intrige samt Verrat, Mord und Verleumdung zwar von der Stange, aber vollkommen zweckdienlich. Zudem verstand man es, den attraktiven historischen Hintergrund nutzbringend einzubinden. Mit sichtbarem Aufwand an Szenerie und Statisten erweckte man das Ende der Ming-Dynastie zu leinwandtauglichem Leben, kreierte ein zerrissenes Kaiserreich am Rande des Untergangs, in dem Chaos die Straßen beherrscht und die Luft vor fiebriger Spannung vibriert. Hätte man sich etwas mehr Konsequenz auf die Fahnen geschrieben und die unbequeme Stimmung stringent durchgezogen, es hätte gewiss nicht zum Nachteil gereicht. Stattdessen wird die aufgeladene Atmosphäre gleich mehrfach unterwandert, sei es durch die legeren Schelmereien der Stars im bewährten Jackie-Chan-Schlitzohren-Modus, oder durch genregerechte Trivialitäten wie die Causa, dass jede wirklich noch so kleine Meinungsverschiedenheit kinokompatibel per Faust und Fußtritt ausgetragen werden muss (und sollte man sich dabei gerade zufällig in einem vollbesetzten Spielcasino befinden, balgt sich der Rest der Belegschaft ohne zwingenden Grund natürlich gleich noch mit).

Auf diese Weise wechseln sich (unterhaltsame) Banalitäten ab mit anspruchsvoller Prämisse und Präsentation, immer mal wieder unterbrochen von ungewollten Albernheiten, wie der Moment, in dem der zum Tode verurteilte Lo Mang, den Kopf bereits in der Schlinge, vor versammelter Mannschaft gut sichtbar mit einem zudem mehr als auffällig zugesteckten Dolch herumhantiert, um seine Fesseln zu lösen – während alle Anwesenden offenbar ganze Tomatenkisten auf den Augen haben und davon nicht das Geringste mitbekommen. Sympathisch ist die mitgeschickte Botschaft der Geschichte, eine latente Anklage gegen Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit. Wie selbstverständlich beschließen die Schurken hier in einem lapidaren Nebensatz, die Schuld für die eigenen Verbrechen dem nächstbesten Flüchtling in die Schuhe zu schieben. Und da die Bluttat perfekt in erfolgreich generierte gesellschaftliche Denkmuster passt, geht der Plan natürlich auch postwendend auf. Einzig eine vom System ebenfalls geächtete Prostituierte (die vom Skript allerdings arg nachlässig behandelt wurde, obwohl sie theoretisch eine viel interessantere Figur abgegeben hätte), schenkt den Sündenböcken Glauben.

Die versiert in Szene gesetzte Mixtur aus Historienbild, Politthriller und Kung-Fu-Akrobatik läuft von Anfang bis Ende durch wie ein Uhrwerk, freilich ohne dabei großartige Höhepunkte zu verzeichnen. Chang Cheh lieferte gehorsam Dienst nach Vorschrift, und das Fünfer-Gespann beweist einmal mehr, was es in Sachen Kraft und Körperbeherrschung auf dem Kasten hat. Die Action-Sequenzen, das Herzstück eines Genre-Beitrags wie diesem, sind zahlreich und überzeugen einmal mehr durch gekonnte Choreographien und dynamische Darbietung. Das unerwartet garstige Finale gastiert schließlich in fast schon provozierend künstlich anmutender Hafenkulisse und überrascht mit einer Extraportion Tragik und herausquellendem Gedärm. DER GEHEIMBUND DER TODESKRALLE (wer hier irgendwie irgendwo nen Geheimbund findet, darf ihn übrigens behalten) gehört sicher nicht zu den Glanzlichtern der Shaw Brothers, und wer nur die wirklichen Sternstunden des Studios erleben möchte, darf diesen Eintrag ohne schlechtes Gewissen überspringen. Wer sich jedoch so wohlfühlt im Kosmos der Kämpfer und Konflikte, dass er davon einfach nicht genug bekommen kann, der wird an dem kompetent gefertigten Konglomerat aus Komik, Keile und Geschichtsunterricht gewiss seine Freude haben.

Laufzeit: 99 Min. / Freigabe: ab 16

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