Eigene Forschungen

Samstag, 9. Februar 2019

MASSAKER IN KLASSE 13


MASSACRE AT CENTRAL HIGH
USA 1976

Regie:
Rene Daalder

Darsteller:
Derrel Maury,
Andrew Stevens,
Ray Underwood,
Robert Carradine,
Kimberly Beck,
Steve Bond,
Rex Steven Sikes,
Lani O'Grady



Pass dich an, dann geht’s dir hier gut.“


Inhalt:

David [Derrel Maury] ist neu auf der Central High. Die Freude, seinen Jugendfreund Mark [Andrew Stevens] wiederzutreffen, ist allerdings schnell verflogen, gibt sich dieser doch seltsam reserviert. Aber auch viele weitere Mitschüler verhalten sich merkwürdig, wirken unsicher und verschüchtert. Bald wird David klar, was hier Sache ist: Die Central High wird kontrolliert von der Gang des herrschsüchtigen Bruce [Ray Underwood], die es bestens versteht, den Rest der Schülerschaft zu schikanieren. Mark, mittlerweile selbst Mitglied dieser Terrorbande, ist nun hin- und hergerissen zwischen Loyalität zur Gang und Verbundenheit mit seinem alten Freund. Er rät David, sich ruhig zu verhalten und die Machtverhältnisse nicht anzuzweifeln. Doch als dieser sich die Freiheit herausnimmt, eine Vergewaltigung zu verhindern, schlagen Bruce & Co. mit aller Härte zurück – David landet im Krankenhaus. Sein Bein ist zwar gebrochen, nicht jedoch sein Kampfgeist. Nach Entlassung wandelt sich das ehemalige Opfer zum humpelnden Rachegespenst. In Folge erschüttern mehrere bizarre Todesfälle die Central High – und die Gang um Bruce wird immer kleiner und kleiner …

Kritik:

Die Schulzeit wird auf der Leinwand meist arg verklärt dargestellt. Glaubt man dem Kino, so scheint die Schule in erster Linie ein heiterer Ort zu sein, mit lustigen Typen, attraktiven Frauen und jeder Menge Spaß und Party. In der Realität allgegenwärtige Themen wie Leistungsdruck, Gruppenzwang oder Mobbing hingegen werden in der Regel ausgeklammert. Das vom gebürtigen Holländer Rene Daalder geskriptete und inszenierte MASSAKER IN KLASSE 13 schickt sich an, zumindest ein paar dieser Defizite auszugleichen. Seinem martialischen Titel wird das Geschehen dennoch nicht gerecht, weswegen begeisterte Blutbauern ihre Hosen auch gleich wieder schließen dürfen. Auf knatternde Kettensägen, fliegende Körperteile und jedwedes Gesudel hofft man hier vergebens. Stattdessen wird man Zeuge eines mit sarkastischen Spitzen gewürzten Sozialdramas im Jugend-/Teenie-Milieu, das mit ein paar (zum Teil herrlich perfiden) Mordmomenten angereichert wurde. Die Methoden, die Protagonist David anwendet, um seine Kontrahenten aus dem Weg zu räumen, strapazieren zwar massiv die Glaubwürdigkeit, sind aber gleichzeitig so wunderbar verschlagen, dass man sich eines breiten Grinsens kaum erwehren kann. Der beherzte Sprung ins leere Schwimmbecken ist sogar ein waschechter Brüller und gereicht jedem Cartoon zur Ehre.

Trotz Blutarmut und Verzicht auf ausgespielte Spannungsszenarien nimmt MASSAKER IN KLASSE 13 dabei bereits einige Elemente des typischen Teenie-Slashers vorweg, eines Genres, das erst wenige Jahre später zu voller Blüte kommen und ganze Heerscharen mysteriöser Meuchler auf die arme amerikanische Jugend loslassen sollte. Doch obwohl es fraglos das Hauptanliegen gewesen dürfte, das Publikum mit ein paar reißerischen Effekten zu unterhalten, ist das Skript doch clever genug, einen weder weit hergeholten noch uninteressanten Blick auf gesellschaftliche Phänomene zu werfen. So entwickeln sich die Ereignisse nämlich doch ein wenig anders, als man es zunächst erwarten würde, sind doch die vermeintlichen Hauptantagonisten bereits nach relativ kurzer Dauer ausradiert. Bei der Mehrheit vergleichbarer Werke läutet das in der Regel den Abspann ein. Hier jedoch herrscht nun nicht etwa Friede, Freude, Eierkuchen. Die einstigen Mobbingopfer genießen ihre neu gewonnene Freiheit so sehr, dass sie arrogant werden und selbst damit beginnen, Schwächere in ihrer Umgebung zu drangsalieren. Es beginnt ein Kampf um die neue Vorherrschaft an der Schule. Eine neue Hackordnung entsteht, welche der alten in nichts nachsteht. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. David sieht sich gezwungen, seinen Tötungsmarathon fortzusetzen – eine Gewaltspirale also, die niemals enden kann.

Ebenso wie die Machtverhältnisse sich verschieben, ändern sich damit einhergehend auch die Sympathieträger. Hielt man anfangs noch eindeutig zu David, der den Laden als einsamer Racheengel mal so richtig durchputzte, schlägt man sich im weiteren Verlaufe plötzlich auf die Seite von dessen Kumpel Mark, der zu Beginn noch so verachtenswert mitläuferisch und feige blieb, während David sich langsam, aber stetig zum Psychopathen entwickelt, der als eine Art Mini-MacGyver mit Bombe im Gepäck und Trauma im Kopf zur größten Gefahr wird. Der einstige Held wandelt sich somit zum Bösewicht. Dieser kritische Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen und Eigenarten ist der eigentliche Clou der Erzählung. Ebenso wie in der realen Welt gibt es auch hier keine eindeutig guten oder bösen Menschen; alles bedingt sich und steht in Wechselwirkung zueinander. Je nach Situation und Umstand können aus Opfern Täter werden, aus Helden Schurken oder aus Feiglingen Lebensretter. Gut und Böse sind also relativ. Böses gewaltsam ausmerzen zu wollen, wäre demnach sinnlos. Zum einen, weil man sich damit selbst auf die böse Seite begibt, zum anderen, weil bereits der nächste Schurke darauf wartet, den freien Platz einzunehmen.

Solch zart philosophische Sprengsel machen MASSAKER IN KLASSE 13 zwar interessanter als den Durchschnitt, aber freilich noch lang nicht zum gewieften Intellektuellenstück. Dafür ist die ganze Chose dann doch eine Spur zu plump und auf Radau gebürstet. Die formalen und inhaltlichen Schwächen des Werks sind zahlreich und kaum zu übersehen. Das beginnt damit, dass die Gang um Bruce tatsächlich ziemlich armselig ist und niemals so wirkt, als ginge von ihr eine ernsthafte Gefahr aus. Eigentlich ist es nicht mal eine richtige Gang, sondern lediglich ein aus vier, fünf Leuten bestehender Haufen reichlich ungezogener Rüpel, denen eine zünftige Schelle bereits den Kompass richten könnte. Immer wieder wird zudem erwähnt, dass Mark bei David aufgrund vergangener Ereignisse in der Schuld stünde, ohne dass jemals erklärt würde, worin diese denn nun eigentlich besteht. Auch die Inszenierung wirkt ein wenig eigentümlich-verschroben. Das beginnt bereits beim Vorspann, in dem Protagonist David Strand und Straße entlang joggt, musikalisch untermalt von einer Schnulze, die man eher in einem Liebesdrama vermuten würde, und mehrfach unterbrochen von kurzen Szenen, die erst im weiteren Verlaufe folgen werden (Explosionen, Schlägereien, Gefummel am Kamin). Das ist schon eine etwas seltsame Art und Weise der Eröffnung.

Die größte Merkwürdigkeit allerdings besteht darin, dass hier außer den (zumindest behauptet) jugendlichen Hauptfiguren niemand sonst zu existieren scheint. Bei einer Schule als Schauplatz sollte man ja meinen, dass ab und an mal ein Lehrkörper, Hausmeister oder sonst irgendein erwachsenes Personal auftaucht. Aber das ist nicht der Fall. Auf den Gängen tummeln sich ausschließlich Schüler, die zudem immer Pause zu haben scheinen – man sieht keine einzige Unterrichtsstunde (da es offensichtlich eben keine Lehrer gibt). In Klassenzimmer, Schwimmbad oder Sporthalle beschäftigen sich die Heranwachsenden stets allein und ohne Aufsicht. Nun mag man sich einreden, Daalder wolle sich eben voll und ganz auf Konflikte und Seelenleben seiner adoleszenten Hauptfiguren beschränken. Aber auch außerhalb des Schultrakts scheint die Welt wie leergefegt. Wenn sich die Jugendlichen im Park lümmeln, dann sind sie die einzigen Menschen dort. Elternteile existieren ebenso wenig wie die Polizei, die bei dieser extremen Anhäufung obskurer Todesfälle früher oder später zwangsläufig auf den Plan treten müsste. Das wirkt auf Dauer dermaßen absurd, dass es schon fast post-apokalyptisches Flair verbreitet: MASSAKER IN KLASSE 13 scheint in einer Welt zu spielen, in der alle Erwachsenen vom Erdball getilgt wurden. Wo bei MAD MAX & Co. nur die Rockerbanden das infernale Feuer überlebt haben, waren es hier eben die Pennäler.

Das ändert sich erst im Finale, das aber nicht weniger abstrus anmutet. Wie aus heiterem Himmel findet hier nämlich ein Schulball statt, der niemals zuvor angekündigt wurde, der aber dennoch plötzlich einfach da ist und von dem auch alle zu wissen scheinen. 'Student Alumni Prom' steht auf dem Plakat, tatsächlich aber erinnert die Veranstaltung an Tanztee im Altenheim. So erstaunt man ist, hier mit einem Male Figuren anzutreffen, die das 20. Lebensjahr überschritten haben, desto erstaunter ist man, wenn einem klar wird, dass diese alle um die 80 sind. Ohnehin ist bis zum Schluss auch überhaupt nicht ersichtlich, wo man sich hier eigentlich die ganze Zeit befindet: Der Originaltitel behauptet eine Highschool, die deutsche Synchronisation spricht von einem College (was de facto nicht das Gleiche ist). Gebäudearchitektur (nebst angeschlossener Riesen-Bibliothek) und Alter der Protagonisten lassen hingegen eher auf eine Universität schließen (was einem College immerhin am ähnlichsten wäre). Der deutsche Titel sorgt für zusätzliche Verwirrung, denn eine Klasse 13 gibt es hier schlicht und ergreifend nicht (ebenso wenig wie eine Klasse 12 oder gar 14). Es ist Fakt: MASSAKER IN KLASSE 13 bleibt in vielerlei Hinsicht nebulös. Eindeutig allerdings ist, dass das Treiben trotzdem tüchtig Stimmung in die Bude bringt. Die Ereignisse sind durchgehend spannend, man erlaubt sich keine Hänger und David beim Rabauken-Pauken zuzusehen, ist eine kleine innere Freude. Das Klassenziel erreicht diese leicht obskur angehauchte Mixtur aus Früh-Slasher, Selbstjustiz-Posse und Jugend-Drama daher mit einer guten 3+. Setzen, weitermachen!

Laufzeit: 84 Min. / Freigabe: ab 18

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