Eigene Forschungen

Montag, 13. Mai 2024

BLOODY STONES


GWAI MA BO BIU CHAAK MEI YAN
Hongkong, Großbritannien 1988

Regie:
Frankie Chan

Darsteller:
Frankie Chan,
Kent Cheng,
Anthony Chan,
Cherie Chung,
Maria Cordero,
Bill Tung,
Kitty Chan,
Sandra Lang



Dass im Hongkong-Kino seit jeher andere Konventionen gelten als im überwiegenden Rest der Welt, dafür tritt BLOODY STONES bereits in seinen ersten 5 Minuten den schlagenden Beweis an. Denn während es woanders als vorprogrammiertes Kassengift gilt, ein Genre nicht passgenau zu bestimmen und dessen Regeln im Laufe der Erzählung penibel einzuhalten, werden hier ohne Rücksicht auf Verluste und Homogenität verschiedene als publikumswirksam erachtete Elemente in einen Topf geworfen und mit ordentlich Schmackes verrührt. So beginnt die Geschichte in fideler Unbekümmertheit, als der ebenso gemütliche wie korpulente Kent Cheng auf dem Nachhauseweg ein kleines Mädchen trifft, das herzzerreißend schluchzt, da ihr Kätzchen unerreichbar im Baum sitzt. Cheng, kein Unmensch, klettert zwecks Rettung galant ins Geäst und bemerkt erst, dass er übers Ohr gehauen wurde, als sich das nun plötzlich gar nicht mehr so traurige Kind am Boden mit seinen zwecks Haustierrettung abgelegten Einkäufen aus dem Staub macht. Als am gegenüberliegenden Fenster dann auch noch eine schimpfende Schreckschraube erscheint und ihn lauthals und faktisch falsch als Sittenstrolch beschimpft (Chengs Reaktion: „Quatsch mit Soße! Das hätte die Tante wohl gern!“), kommt aus heiterem Himmel Chengs Kumpel Ho des Wegs, um ein paar hämische Kommentare abzulassen. Das geht so lang gut, bis die Keiferin anfängt, die beiden mittels Zwille zu malträtieren und Cheng deswegen vom Baum fällt. Dabei kracht er auf einen wie zufällig bereitstehenden Rollwagen, auf welchem er jetzt in Zeitraffer und von lustiger Slapstick-Musik begleitet die Straße hinunterbollert, bevor der Zusammenprall mit einem von Ho extra zu diesem Zwecke gestoppten Taxi seinen unfreiwilligen Trip beendet. „Wo soll's hingehen?“, fragt ihn der Fahrer noch, als wäre das alles völlig normal.

Bis hierhin: Harmloser Humor mit Aszendent Hirnverödung, der auch aus einem deutschen Lustspiel-Verbrechen mit Rudi Carrell & Co. KG hätte stammen können. Doch unmittelbar nach diesen infantilen Ereignissen bricht aus heiterem Himmel neben den Protagonisten ein bewaffneter Raubüberfall aus. Cheng und Ho zücken die Knarren, rufen „Hände hoch, Polizei!“ und befinden sich unversehens in einem amtlichen Kugelhagel, der massig Tote und Verletzte fordert. Es folgt eine wüste PS-unterstützte Verfolgungsjagd, die final in einen Fahrstuhl führt, in welchem Ho dem letzten noch verbliebenen Räuber einen saftigen Kopfschuss verpasst, sodass sich dessen Hirn nun formvollendet in Chengs Gesicht verteilt. Zwar wurde diese Sequenz aus vielen internationalen Fassungen herausgeschnitten, aber der ebenso krasse wie unvermittelte Wechsel von argloser Albernheit zu hammerhartem Action-Sturm macht dennoch staunend. Umso mehr, da diese einleitenden Ereignisse mit der darauf folgenden eigentlichen Handlung rein gar nichts zu tun haben und nur existieren, um die beiden Hauptfiguren, die Polizisten Cheng und Ho, einzuführen. Und die Tonart des Films freilich.

Inhalt:

Stewardess Ko [Cherie Chung] und ihre Freundin Cai [Ngau Choi-Ling] werden vom Syndikat gezwungen, Diamanten zu schmuggeln. Doch die Damen drehen den Spieß um und setzen sich mit den Steinen ab. Als sie ihren Erfolg des Nachts am Strand feiern wollen, werden sie plötzlich von zwei Killern angegriffen, wobei Cai ums Leben kommt. Der zufällig sich vor Ort befindliche Inspektor Ho [Frankie Chan] kann zumindest verhindern, dass Ko ebenfalls getötet wird. Die geschwächte Frau wird ins Krankenhaus eingeliefert, wo Ho und sein Kollege Cheng [Kent Cheng] für ihre Sicherheit sorgen sollen. Doch das erweist sich als schwieriger als gedacht. Denn der kriminelle Geschäftsmann Li [Lee Ji-Kei] ist auf die Beute scharf und schickt seine besten Leute los, um Ko zu schnappen. Kurzerhand quartieren die beiden Polizisten die gefährdete Frau in ihrer Wohngemeinschaft ein.

Kritik:

Fraglos: Die Handlung von THE GOOD, THE BAD & THE BEAUTY (so der eigentliche englische Titel in recht sinnfreier Anlehnung an den eines berühmten Italo-Westerns) ist fern von gesteigerter Kreativität, um nicht zu sagen: ziemlich einfallslos. So geht es in der Quintessenz um nicht viel mehr als um eine Zeugin, die geschützt werden muss, und einen Gangsterboss, der ihr nach Hab und Leben trachtet. Dies dient als Aufhänger für eine relativ lose Aneinanderreihung von recht ruppigen Mord-Szenen (vor allem Krankenhauspersonal hat, wenn Boss Li seine Leute losschickt, nur wenig zu lachen), vereinzelten Action-Sequenzen mit Hauen, Stechen und Schießen sowie reichlich Situations- und Synchronisationskomik - denn zumindest die deutsche Fassung ist mit verbalem Frohsinn zugepflastert. In erster Linie zugunsten der beiden männlichen Hauptfiguren, die sich nicht nur eine Bude teilen wie ein altes Ehepaar, sondern sich auch so benehmen wie eines, indem sie sich den lieben langen Tag innigste Insultationen an den Kopf werfen.


„Sie hätten dir wenigstens ein Bein brechen können oder den halben Arm abschießen oder sowas.“
[Cheng verleiht seiner Freude Ausdruck, dass Ho den Kampf mit den Killern unbeschadet überstanden hat.]


Diese Dauer-Stichelei zwischen den beiden Gesetzeshütern funktioniert überraschend gut, da BLOODY STONES diesbezüglich anders konzipiert ist als die klassische Cop-Komödie der Marke NUR 48 STUNDEN oder RED HEAT: Während sich die Protagonisten dort anfangs nicht ausstehen können und erst noch zusammenraufen müssen, ist hier von Anfang an klar, dass Cheng und Ho eigentlich die dicksten Kumpels sind und füreinander durchs Feuer gehen würden. Als die zu beschützende Zeugin in ihre bis dahin zwanglose Wohngemeinschaft einzieht, sorgt das für einigen Trubel, der in humoristischer Hinsicht glücklicherweise weitaus weniger beschämend ausfällt als z. B. bei den ähnlich konzipierten MY LUCKY STARS-Klamotten, in welchen bei den Herren regelrecht der Restverstand aussetzt, wird die verschworene Männergemeinschaft von unerwarteter Weiblichkeit heimgesucht. Eher schon bietet sich der Vergleich einer Episode aus POLICE STORY an, in welcher Jackie Chan als Hongkong-Cop ebenfalls einer vom Mob bedrohten Dame Unterschlupf im eigenen Domizil gewähren muss, was zu amüsanten Schlagabtauschen führt.

Dass durch die Anwesenheit einer Frau die Freundschaft der Männer trotzdem auf die Probe gestellt wird, verlangt das Drehbuch, das immerhin 80 Minuten zu füllen hat, obwohl es im Prinzip kaum etwas zu erzählen gibt. Erfreulich allerdings, dass dabei nicht der Fehler begangen wurde, besagte Kronzeugin als hilfloses Opfer zu zeichnen, das passiv durch die Handlung torkelt. Cherie Chung [→ PEKING OPERA BLUES] verkörpert die von reichlich krimineller Energie erfüllte Stewardess als taffe Gangsterbraut, die den harten Konfrontationskurs selbst nicht scheut und auch schon mal mit Pistole im Anschlag verbrecherischen Stuhlgang unterbricht.

Schade, dass dann ausgerechnet der Showdown so wenig Schmiss hat. Das Hin und Her zwischen Gut und Böse mündet in einer gut 15-minütigen Motorbootjagd, die nichts mehr von der bis dahin vorherrschenden Härte hat und in Sachen Action vielmehr an die Schwerfälligkeit der späteren POLICE ACADEMY-Folgen erinnert. Zwar wird hier fleißig Dynamit geschleudert und Munition verfeuert, aber so richtig begeisternde Stimmung möchte nicht aufkommen. Nach der exzessiven Eröffnungsveranstaltung ist das schon eine ziemliche Anti-Klimax. Trotzdem werden sich Action-Fans hier gut aufgehoben fühlen. Frankie Chan [→ BORN TO FIGHT IV] (der hier übrigens auch Regie führte) und Kent Cheng [→ HARD TO DIE] harmonieren gut miteinander und wenn letzterer im Schlafrock samt Bommelmütze Bösewichtern Kugeln in die Köpfe ballert, ist das definitiv ein Anblick, den man nicht alle Tage sieht. Der zusätzliche Gastauftritt von Schauspiel-Veteran Bill Tung [→ TOP SQUAD] trägt zwar nichts zur Story bei, aber der kauzige Charakterdarsteller (der hier wieder seine Paraderolle spielt, nämlich die des liebenswerten Vorgesetzten) ist ebenfalls stets gern gesehen. Wer Gewalt und Geblödel miteinander vereinbaren kann, der darf sich die BLOODY STONES gefahrlos auf die Einkaufsliste schreiben.

Laufzeit: 75 Min. / FSK: ab 18

Dienstag, 7. Mai 2024

THE ROOKIES


SU REN TE GONG
China 2019

Regie:
Alan Yuen

Darsteller:
Talu Wang,
Sandrine Pinna,
Milla Jovovich,
Timmy Xu,
Liu Meitong,
David Lee McInnis,
Daytoy Sean Xiao,
Lam Suet



Inhalt:

Zhao Feng [Talu Wang] ist ein leicht lebensmüde agierender Extremsportler, der bevorzugt auf hohe Bauwerke klettert und dies live ins Internet überträgt. Eines Tages platzt er dabei versehentlich in ein Treffen zweier Gangster-Parteien, die gerade im Begriff illegaler Waffengeschäfte sind. Als Zhao mit guter Miene zum bösen Spiel versucht, seine heile Haut zu retten, platzt plötzlich auch noch die Agentin Bruce [Milla Jovovich] ins Zimmer und sorgt für nachhaltigen Wirbel. Zwar sieht Zhao zu, dass er schnellstens Land gewinnt, aber zur Ruhe kommt er nicht. Denn Bruce sucht ihn zu Hause auf und erklärt ihm, dass sie die Leiterin eines Geheimbundes ist, der bemüht ist, der Terror-Organisation 'Iron Fist', die an der geplatzten Aktion beteiligt war, den Garaus zu machen. Da Zhao von den Gangstern aufgrund des Zwischenfalls nun für jemand der ihren gehalten wird, kann sie ihn überreden, sich ihrer Organisation anzuschließen und rekrutiert ihn für eine Mission in Budapest. Vor Ort stoßen noch der Tüftler Ding Shan [Timmy Xu], die Ärztin LV [Meitong Liu] sowie die geschasste Interpol-Mitarbeiterin Miao Yan [Sandrine Pinna] dazu. Die Nachwuchs-Weltretter bekommen es nachfolgend mit dem verrückten Milliardär Liam Wonder [David Lee McInnis] zu tun, der die Menschheit mittels einer neuen Droge unterjochen will.

Kritik:

Nach der Rückgabe von Hongkong an China befand sich die ansässige Filmindustrie auf der Suche nach einer neuen Identität. Als eine der Folgen entstand kurz vor der Jahrtausendwende eine Reihe technikaffiner Action-Streifen, die extrem auf eine jugendliche Zielgruppe zurechtgezimmert wurden. Die Hauptfiguren waren dann in der Regel unangepasste, auf Konventionen pfeifende junge Leute, die sich mehr oder minder freiwillig zum Team formieren müssen, um die Welt im besten Bond-Modus vor Terrorismus und sonstigem Ungemach zu bewahren. Dabei wurde ausgiebig mit damals innovativen technischen Spielereien geprotzt und – weil seitens der Produzenten auf den internationalen Markt geschielt wurde - rund um den Globus gejettet. Als Anschauungsmaterial dienen diesbezüglich Beiträge wie DOWNTOWN TORPEDOES [1997], HOT WAR [1998] oder ...AND NOW YOU'RE DEAD [1997]. Das Drehbuch zu dem erst 2019 entstandenen THE ROOKIES wirkt indes, als sei es bei der damaligen Offensive versehentlich liegengeblieben, erst 20 Jahre später wieder entdeckt und dann flugs doch noch verfilmt worden. So wird hier – als seien nicht etwa zwischenzeitlich zwei Jahrzehnte ins Land gegangen - abermals ein Kollektiv gesellschaftlicher Außenseiter eingespannt, um im Auftrage einer obskuren Geheimorganisation die Apokalypse auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

Die Inszenierung freilich geriet doch auffallend aufgeregter als noch zu früheren Tagen. Nervöse Schnitte und flirrender Sound suggerieren pausenlose Panik, selbst dann, wenn eigentlich gar nichts Nennenswertes passiert. Ohnehin ordnet sich die Erzählung devot der Präsentation unter, was, so kristallisiert sich schnell heraus, durchaus problematisch ist. So lässt die schrille Attitüde von THE ROOKIES beim Betrachter partout keine Bindung zu, weswegen Inhalt und Figurenkonstellation achtlos an einem vorbeirauschen. Wobei man in beides allerdings ohnehin nicht allzu viel Aufwand investiert hat. Die eigentlich sehr simple Story besteht im Grunde nur aus sattsam bekannten Versatzstücken, wird einem aber dennoch dermaßen verklausuliert aufgetischt, dass man ständig meint, irgendetwas verpasst zu haben. Und bereits die Herleitung der Haupthandlung, sprich: die Erklärung, warum es angeblich unabdinglich war, einen jugendlichen Fassadenkletterer auf Agentenmission zu schicken, ist so absurd und unzureichend herbeifabuliert, dass man am besten einfach nur die Segel streicht.

Dazu kommt die Crux, dass der von Talu Wang [→ RAILROAD TIGERS] verkörperte Zhao Feng zwar der Identifikation dienen soll, tatsächlich aber einen verblüffend unnahbaren Eindruck hinterlässt. Die merkwürdige Melange aus tollkühnem Todesmut und trantütiger Trotteligkeit funktioniert schlichtweg nicht. Den Schwarzen Peter dafür muss man natürlich abermals den Autoren zuschieben, die es für eine gute Idee hielten, ihren Helden in Momenten abseits ihres Draufgängertums als eine Art jugendlichen Mr. Bean (oder doch besser: Johnny Chinese?) auftreten zu lassen. Wobei der hoffnungslos ineffektive Humor dann gleich den nächsten Stolperstein darstellt. Da behauptet das Skript inbrünstig, dass es verdammt lustig sei, wenn der noch bei Mutti wohnende Zhao verzweifelt versucht, eine Sex-Puppe vor seiner Erzeugerin zu verstecken. Da beginnt man sich schon zu fragen, wer hier eigentlich die Zielgruppe sein soll, denn selbst Jugendliche schütteln bei solch verklemmter Kleinkinder-Komik lediglich den Kopf. Und auch nachfolgend bleibt der Witz bloß unbewiesene Behauptung, wenn Zhao geschäftig Grimassen schneidet, Klebstoff mit Lippenstift verwechselt oder auch – als den Schreibern dann komplett die Ideen ausgingen - während einer Lagebesprechung einfach mal so vom Stuhl fällt. Weil's ja lustig ist!

Im Kontrast zu derlei Kaspereien steht ein gewisser brutaler Zynismus, den man normalerweise eher im Erwachsenen-Kino verortet, als da wären: abgeschossene Finger, herausgerupfte Augäpfel, amputierte Beine, perforierte Hirnschalen - oder gar das intendierte Überfahren eines Übeltäters als arglos verkauften Slapstick-Moment. Die Action, zwischen der all das stattfindet, bietet dabei durchaus Abwechslung und besteht hauptsächlich aus Beinarbeit, Explosionen und Blaue-Bohnen-Ballett. Höhepunkt ist eine ausufernde motorisierte Verfolgungsjagd durch die verkehrsintensive Innenstadt, auf deren Gipfel ein vermeintlich regulärer VW Käfer urplötzlich Transformers-Allüren entwickelt und mechanische Spinnenbeine ausfährt, um saugnapf- und räumschaufelverstärkt durch die Straßen zu staksen und dabei einen riesigen Haufen Blechmüll zu produzieren. An dieser Stelle ist natürlich endgültig Feierabend mit jedwedem Realitätsbezug und man lehnt sich schulterzuckend zurück, gewahr, dass hier einfach jede noch so abstruse Idee irgendwie ihre Heimat gefunden hat.

Zugeben muss man unumwunden, dass das alles rein optisch durchaus augenschmeichelnd geriet. Gedreht wurde überwiegend in Budapest – ein Name, der beim gemeinen Action-Freund sofort die Alarmglocken läuten lässt. Denn nur allzu oft diente der Ort als preiswerte Spielwiese für fragwürdige Appel-und'n-Ei-Produktionen ausrangierter Altherren-Recken wie Jean-Claude Van Damme oder Steven Seagal, in welchen die ungarische Hauptstadt stets in bleierner Tristesse versank. Hier hingegen erstrahlt sie in ganz ungewohntem Glanze und wird für das alberne Kuriositätenkabinett zur ausnehmend attraktiven Kulisse. Die bonbonbunte Ästhetik, aufgepeppt durch knallige Animationen und schnittige Übergänge, geht mit der inhaltlichen Infantilität also zumindest eine stimmige Symbiose ein. Ohnehin darf man sich gern eingestehen, dass das Gezeigte zwar stets haarscharf am Affront vorbeischrammt, aber immerhin keine Langeweile verbreitet. Hier ist wirklich ständig etwas los. Man weiß zwar nicht immer genau, was, aber die Zeit vertreibt der kunterbunte Cocktail dennoch. Doch gewiss wäre das Treiben noch ein Quäntchen schöner, wenn deutlicher würde, was denn eigentlich des Schurkens Beweggründe zur Missetat sind und worin genau sein Plan besteht. Oder warum man als Zuschauer um ein unvermittelt den Löffel reichendes Team-Mitglied trauern sollte, wenn das plötzlich hereinbrechende Tragik-Gehabe inmitten des bis dahin ausgiebig zelebrierten Froh- und Unsinns wie ein Fremdkörper wirkt und man eh keine Gelegenheit hatte, die Charaktere hinter den Karikaturen kennenzulernen.

Wie man etwas Ähnliches weitaus begeisternder umsetzt, zeigt die Comic-Verfilmung WANTED [2008] des russischen Regisseurs Timur Bekmambetov, in welcher Morgan Freeman (in der Rolle, die hier quasi Milla Jovovich [→ DAS FÜNFTE ELEMENT] innehat) einen juvenilen Tunichtgut auf halsbrecherische Weltenrettungsaktionen schickt. THE ROOKIES wirkt wie der kleine, leicht zurückgebliebene Bruder dieses Vorbilds und braucht als solcher ein tolerantes Publikum. Dann kann man sich mit ihm anfreunden. Ein bisschen.

Laufzeit: 113 Min. / FSK: ab 16

Donnerstag, 2. Mai 2024

1911 - REVOLUTION


XIN HAI GE MING
China 2011

Regie:
Zhang Li

Darsteller:
Jackie Chan,
Winston Chao,
Li Bingbing,
Sun Chun,
Joan Chen,
Jiang Wu,
Jaycee Chan,
Hu Ge



Inhalt:

1911: Die Qing-Dynastie beherrscht China seit gut 250 Jahren. Das ist genug, finden ein paar Aufständische und gehen in den Widerstand. Nachdem Kaiserwitwe Cixi [Joan Chen] bereits mehrere Rebellionen erfolgreich niederschlagen konnte, scheint sich das Blatt nun zu wenden: Der Hof liegt finanziell wie moralisch am Boden und das Revolutionsbündnis um Huang Xin [Jackie Chan] und den Chirugen Sun Yat-sen [Winston Chao] erhält immer mehr Rückhalt aus der Bevölkerung. Als sich überraschenderweise auch die Armee Wuchangs auf ihre Seite schlägt, rückt der Traum vom Sturz der Monarchie plötzlich in greifbare Nähe.

Kritik:

Wer Nachholbedarf in Sachen Chinesische Geschichte verspürt, der sollte sich in der nächstgelegenen Stadtbibliothek um ein gutes Buch bemühen. Keinesfalls jedoch sollte er stattdessen zu 1911 greifen. In diesem aufwändig gestalteten Historienfilm mögen zwar die Eckdaten stimmen. Doch ist die Aufklärungsattitüde lediglich vorgeschoben. Recht schnell bewahrheitet sich nämlich, was im Vorfeld schon zu erahnen war: 1911 ist primär ein prominent besetztes Propagandastück, das ein (natürlich parteigestütztes) Hohelied auf die ach so herrliche Nation China anstimmt. „Prominent besetzt“ bezieht sich dabei freilich auf Jackie Chan, einer der wenigen wirklichen Weltstars, die China je hatte. Einst durch komödiantische Kung-Fu-Kapriolen berühmt geworden, fand er im Alter nicht mehr zu alter Stärke, was ja per se keine Schande ist. Dass er seinem guten Ruf nachhaltigen Schaden zufügte, indem er sich als regimetreuer Repräsentant zum Erfüllungsgehilfen eines menschenverachtenden Systems machte, wiegt hingegen schon deutlich schwerer. Da passt es natürlich, dass 1911 ihn als aufrechten Revolutionshelden porträtiert, der zwecks Installierung einer „richtigen“ Regierung ruhmreich gegen den korrupten Kaiserhof zu Felde zieht.

Eine Hauptrolle ist das, anders als vom Marketing postuliert, allerdings nicht. Chans Charakter Huang Xin (der übrigens – wie viele andere Figuren hier – tatsächlich existierte) hat insgesamt nur wenige Auftritte, was hauptsächlich der eigenwilligen Dramaturgie des Werkes geschuldet ist. 1911 handelt zwar von Geschichte, erzählt aber nicht wirklich eine. Statt Protagonisten agieren hier Stichwortgeber und anstatt eine Story zu erzählen, springt man im nüchternen Doku-Duktus von Dialog zu Dialog, Schauplatz zu Schauplatz und Ereignis zu Ereignis und verweilt dabei nur selten längere Zeit an einem Ort. Dem Beitrag eines Historien-Senders gleich hakt man so die einzelnen Stationen ab und ignoriert dabei bewusst das gängige Regelwerk kinokonformen Erzählens, was natürlich den Eindruck von Seriosität erwecken soll. Allerdings wird gerade dieses Anliegen durch teils wirklich plumpe Manipulationsversuche wieder untergraben. Denn der Feind des chinesischen Volkes, so die Quintessenz, ist der Ausländer. Frei ist das Land nur, wenn es autark ist vom Rest der Welt, der stets nur Unterjochung und Ausbeutung im Sinn hat. In einer besonders grotesken Episode besucht der von Winston Chao [→ THE TOUCH] enorm weltmännisch verkörperte Revolutionsführer Sun Yat-sen (gleichfalls eine historische Figur) eine Zusammenkunft fremder Nationen, deren Teilnehmer fett und vollgefressen am dekadent gedeckten Tisch hocken und bereits darüber beratschlagen, wie man China unter sich aufteilen werde. Sun veranschaulicht der versammelten Mannschaft dann die Situation seines Heimatlandes anhand eines Lammbratens, was tatsächlich noch alberner ist als es klingt.

Entsprechend wird man auch nicht müde, die Monarchie als inkompetent und verkrustet darzustellen, wenn der Hof, längst an der Schwelle zum Ruin und mit einer Kaiserin an der Spitze, die mehr als nur offensichtlich einen kleinen Piepmatz mit sich spazieren trägt, die Eisenbahn (eine der großen technischen Errungenschaften der Nation) an schmierige Langnasen zu verscherbeln gedenkt. Ehern und aufrichtig ist dann am Ende tatsächlich nur das geknechtete chinesische Volk, das sich nichts sehnlicher wünscht als die Ausrufung der ersten Republik, was als Universal-Lösung aller Sorgen und Nöte unwidersprochen bleibt. Dementsprechend wurden auch Ambivalenzen keinerlei Platz eingeräumt; die Revolutionäre stehen unmissverständlich auf der rechten Seite, argumentieren und handeln stets moralisch vollkommen korrekt (so sehr, dass man Flüchtigen auch schon mal in den Rücken schießen darf, der Zweck heiligt schließlich die Mittel). Und da hier natürlich auch wirklich niemand mal zwischenzeitlich mit sich selbst oder der Idee hadert, wirkt die Truppe entsprechend unnahbar und langweilig.

Dass in der Realität wenig überraschend nicht immer alle an einem Strang zogen und es zwischen Huang Xin und Sun Yat-sen, hier stets ein Herz und eine Seele, sogar zum Zerwürfnis kam, dafür war im Skript natürlich kein Platz mehr. Das hätte auch so gar nicht ins schöne Märchen der alle Widerstände überwindenden Einheit gepasst. Nun sind dramaturgische Anpassungen wie diese natürlich nicht das Problem von 1911 (zumal sich das Werk damit ja in guter Gesellschaft befindet). Das eigentlich Perfide an der ganzen Sache ist die Suggerierung, das Volk habe damals den hier propagierten Zustand von Glück, Freiheit und Demokratie tatsächlich erreicht, was wohl kaum in größerem Widerspruch zu den bei Produktionsbeginn tatsächlich vorherrschenden Verhältnissen stehen könnte (Gut, die Republik China ging in Taiwan auf, aber dessen Eigenständigkeit wurde man des Negierens nie müde). Der klebrige Pathos, der sich im Finale zu ungeahnten Höhen aufschwingt und sich verpflichtet fühlt, die Großartigkeit der Nation immer und immer zu betonen, versetzt dem Ganzen schließlich den Todesstoß und lässt selbst den kompromissbereitesten Betrachter das Handtuch werfen.

1911 kann zwar Punkte sammeln durch seinen sichtbaren Aufwand in Sachen Ausstattung, versagt aber am Ende sowohl als Geschichtsstunde als auch als Unterhaltungs-Programm auf ganzer Linie. Dass so etwas auch anders geht, beweist z. B. BODYGUARDS AND ASSASSINS, der sich ebenfalls mit der Figur Sun Yat-sen befasst. Der verbreitet zwar teils ähnlich zweifelhafte Botschaften (wie die auch hier lancierte Idee, dass der Wert des Individuums weniger wiegt als das große Ziel des Kollektivs), ist dabei aber immerhin ein packendes Stück Kino. 1911 hingegen eiert orientierungslos herum und schafft es nie, auch nur einen seiner Charaktere nahbar werden zu lassen. Ohne Jackie Chan als Zugpferd – und das wussten die Macher natürlich – hätte der pappige Propagandaschinken wohl kaum eine Chance auf eine Veröffentlichung außerhalb Chinas gehabt. Dieser verspielt hier allerdings nicht nur endgültig seinen Sympathiebonus, sondern ist zudem als Kopfschüsse verteilender Revolutionsführer auch völlig fehlbesetzt (dass man ihm der alten Zeiten wegen auch eine kurze Alibi-Kampfszene ins Skript mogelte, kann daran nichts ändern). Dass 1911 sein Publikum schließlich mit einem wirklich grauenhaften Song wieder in die Freiheit entlässt, ist somit am Ende das einzige ehrliche Statement. Auf zur Stadtbibliothek!

Laufzeit: 120 Min. / Freigabe: ab 16

Samstag, 27. April 2024

AIR STRIKE


DA HONG ZHA
China 2018

Regie:
Xiao Feng

Darsteller:
Liu Ye,
Bruce Willis,
Song Seung-heon,
William Chan Wai-Ting,
Fan Wei,
Nicholas Tse,
Fan Bingbing,
Adrien Brody



Inhalt:

1937: Japan greift China an. Eine Flugzeug-Armada legt die Hauptstadt Nanjing in Schutt und Asche. Um weiteren Angriffen etwas entgegensetzen zu können, wird unter der Schirmherrschaft des amerikanischen Colonels Jack Johnson [Bruce Willis] eiligst eine Fliegerstaffel formiert. Dabei bereitet ihm vor allem der Heißsporn An Minxun [Song Seung-heon] Sorgen, da dieser persönliche Befindlichkeiten über den Dienst stellt. Gleichzeitig erhält der ehemalige Pilot Xue Gangtou [Liu Ye] den Auftrag, eine Dekodiermaschine per Lastwagen quer durch das Land nach Chongqing zu bringen. Auf seiner Reise begleiten ihn der junge Soldat Jim Xiang [Geng Le], der Wissenschaftler Zhao Chun [Wu Gang] sowie die Krankenschwester Dianna [Ma Su]. Der Trip wird zum Himmelfahrtskommando, denn die Japaner überwachen die Straßen aus der Luft und werfen Bomben auf alles, was sich bewegt.

Kritik:

Der meuchelwütige Japaner wird von der chinesischen Filmindustrie in zuverlässiger Regelmäßigkeit als altbewährtes Feindbild aus der Mottenkiste geholt. Einerseits ist das nicht vollends unverständlich, war die japanische Besatzung während des Zweiten Weltkrieges für Land und Leute fraglos eine schwere Bürde, gesäumt von Leid, Leichenbergen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Andererseits dürfte die Mehrzahl der Beiträge aufgrund ihrer plumpen Parteilichkeit und einseitigen Präsentation weniger Interesse an einer ernsthaften Vergangenheitsaufarbeitung haben als vielmehr daran, dem Publikum patriotische Gefühle zu entlocken. Das Schüren von Nationalstolz ist immerhin etwas, was die Landesführung sich in Großbuchstaben auf die Fahnen gestickt hat, da trommeln die Produktionsfirmen zwecks Renditensicherung auch gern mal mit. Der Originaltitel AIR STRIKEs schreit einem dann auch bereits bar jeder Subtitilität ins Gesicht, womit man es hier eigentlich zu tun hat: UNBREAKABLE SPIRIT! Nein, das ist nicht einfach nur ein simpler historischer Kriegsfilm. Das ist ein Hohelied auf den unbeugsamen Willen des chinesischen Volkes, ein Manifest des Mutes, der Standfestigkeit und prinzipiell der allgemeinen eigenen grandiosen Superkeit.

Gut, so war es zumindest geplant. Denn die verschwenderisch budgetierte Mammutproduktion, die eigentlich weltweit für Begeisterung und Beifallsbekundungen sorgen sollte, wurde zur genierlichen Lachnummer, an der kaum ein gutes Haar gelassen wurde. Wie konnte das passieren? An Ambitionen mangelte es jedenfalls nicht. Um UNBREAKABLE SPIRIT auch international interessant zu machen, sicherte man sich die Mitwirkung von Action-Ikone Bruce Willis [→ LAST BOY SCOUT]. Der hatte den Zenit seines Ruhmes zu dem Zeitpunkt zwar schon längst überschritten und spielte pro Jahr in gut einem Dutzend Billigheimern mit, aber sein Name auf der Besetzungsliste sorgte durchaus noch für Aufmerksamkeit. Als Sargnagel der Schöpfung erwies sich hingegen die Beteiligung einer ganz anderen Person: Fan Bing-Bing [→ BODYGUARDS AND ASSASSINS]. Im Westen nahezu unbekannt, war die Dame in China ein Star auf dem Gipfel seiner Popularität. Doch nach Drehschluss wurde enthüllt, dass Frau Fan mutmaßlich Steuern hinterzogen hatte, woraufhin die Regierung kurzerhand den heimischen Kino-Start untersagte. (Was das eine mit dem anderen zu tun hat... Weiß der Geier!) Daraufhin verschwand die Schauspielerin quasi spurlos von der Bildfläche und tauchte erst nach mehreren Monaten wieder auf. Angeblich soll sie in einem Urlaubsresort festgehalten worden sein, um den Behörden dabei zu „helfen“, den Steuer-Skandal „aufzuklären“. Zudem gab sie zu Prokoll, dass die Kommunistische Partei so richtig knorke sei. Schau an, schau an...

Nachdem das einstige Prestige-Projekt in dessen Heimat im Prinzip wie eine heiße Kartoffel fallengelassen wurde, ging das Werk in die USA, wo es im Schnitt ein wenig umstaltet (sprich: gestrafft) wurde, um als THE BOMBING vergeblich um die Gunst des Publikums zu buhlen, bevor diese Fassung, abermals unter neuem Titel, AIR STRIKE nämlich, dann auch über Deutschland herfallen durfte. Es ist vermutlich ein wenig ungerecht, das Produkt lediglich anhand dessen zu beurteilen, was schließlich beim Rezipienten ankam. Ursprünglich hatte das Ding nämlich wohl tatsächlich mal epochale Ausmaße; eine Lauflänge von mehreren Stunden wurde kolportiert. Am Ende blieben in der asiatischen Originalfassung immerhin noch 2 Stunden übrig, die nach der amerikanischen Sonderbehandlung dann allerdings nur noch relativ mickrige 97 Minuten betrugen. Das Resultat ist nicht viel mehr als eine Fragment-Show, in der mehrere halbherzig ausformulierte Handlungsstränge parallel laufen, die sich weder gegenseitig tangieren, noch einzeln mitreißen können und teilweise sogar sinnlos im Sande versickern. Dabei existieren zwar ein paar zentrale Charaktere, aber am laufenden Meter tauchen weitere vermeintlich wichtige Figuren auf, um sich nach einem stattlichen Stelldichein wieder in Luft aufzulösen und nie mehr gesehen zu werden. Ein wenig wirkt das wie der komprimierte Zusammenschnitt einer Fernseh-Serie, der angrund der originalen Materialfülle in Sachen Rhythmus und Dramaturgie auf keinen grünen Zweig kommt.

Doch den Schnittmeistern die alleinige Schuld an der Misere zuzuschatzen, wird der Sache nicht gerecht. Denn die einzelnen Episoden passen auch tonal nicht die Bohne zueinander und wirken, wie von verschiedenen Regisseuren mit verschiedenen Vorstellungen inszeniert. Am besten funktioniert dabei noch die Erzählung des gefahrvollen Quer-durchs-Land-Transports mit Liu Ye [→ POLICE STORY 2014] als ehemaligem, nun hinterm Lastwagensteuer sitzendem Piloten, die in ihrer schlichten, wenngleich effektiven Dramaturgie an pulpige Abenteuer-Romane und -Comics erinnert, abgeschmeckt mit ein bisschen klassischer Spionage-Soße. Die Geschichte um Bruce Willis und seine jungen Flugschüler huldigt indes bereits mehrfach erprobten TOP GUN-Tugenden inklusive deren peinlicher Pathos-Anwandlungen und ist formal und inhaltlich insgesamt am wenigsten ernstzunehmen. Wenn es schließlich zur Luftschlacht kommt und Willis wie ein fliegender John Wayne jauchzend und zigarreschmauchend am Steuer seiner Propellermaschine sitzt, wirkt das wie eine überspitzte Persiflage historischer Militär-Werbe-Propaganda. Eine weitere, in Sachen Sinn und Zweck maximal mysteriöse Storyline erörtert, wie ein Haufen kauziger alter Leute sich im Teehaus zum Mahjongg-Spiel trifft, sich zankt, sich verträgt und sich schlussendlich mit einer verirrten Bombe ein sagenhaft skurriles Slapstick-Duell liefert, das mit Charlie Chaplin für Arme wohl am besten beschrieben wäre.

Und als würde es nicht schon reichen, dass diese voneinander unabhängigen Ereignisse völlig unterschiedliche atmosphärische Sprachen sprechen, kommt es zusätzlich zwischendurch immer mal wieder zu Szenen grausiger Gewalttaten, die mit dem dann doch eher trivialen Rest abermals kaum in Einklang zu bringen sind. Wenn einem als Bunker dienendem Bergwerk per Bombenbeschuss die Luftzufuhr abgeschnitten wird, was im Inneren erst zu Panik, dann zum Massensterben führt, hat das mit der ansonsten vorherrschenden, an Groschenromane gemahnende Stimmung so rein gar nichts am Hut. So fügt sich hier schlichtweg nichts zusammen, wenn grausige Geschehnisse von Momenten munterer Possenreißerei abgelöst werden, während der artifizielle Look der Flug-Action an die Optik einschlägiger Computerspiele erinnert – oder an als Stilmittel bewusst erzeugte Künstlichkeit in comicartigen Extravaganzen wie SKY CAPTAIN AND THE WORLD OF TOMORROW. Das besitzt zwar schon eine gewisse schicke Ästhetik, ist aber nichts, was sich mit einer authentischen Abhandlung über die Schrecken des Krieges in Einklang bringen ließe.

Die bittere Pointe des Ganzen ist, dass Fan Bing-Bing, der Stein des Anstoßes, die Wurzel allen Übels, zumindest in dieser Version tatsächlich nur noch ein paar wenige Takte an Text hat und zwar von einer Kürze, dass man sie bei einem spontanen Anfall von Sekundenschlaf direkt verpasst. Sprich: Bei ernsthaftem Interesse hätte man besagtes Bing-Bing-Problem ganz einfach per Schere aus der Welt schaffen können, ist sie am Ende doch auch nur einer der vielen Stars, die hier hurtig durchs Bild huschen, ohne inhaltlich auf irgendetwas Einfluss zu haben, oder abseits einst überschwänglicher Vorankündigungen final gar nicht mehr auftauchen. Davon betroffen ist im Übrigen auch Rumer Willis [→ ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD], die Tochter vom Bruce, die flink ihr Näschen ins Szenario steckt und dann sang- und klanglos wieder abtaucht, wofür sie in der US-Version - obgleich kein großer Name - prominent im Vorspann platziert wurde, als hätte ihr Auftritt irgendeine Relevanz oder gar Werbequalität. Es ist symptomatisch für das Werk, in dem alles chaotisch ist, sich nichts im Gleichklang befindet. Das fängt schon bei den drei verschiedenen englischen Titeln an, die offenbar gleichberechtigt nebeneinander stehen, sodass man sich am Ende nicht einmal sicher sein kann, ob man es jetzt gerade mit einem UNBREAKABLE SPIRIT, einem THE BOMBING oder einem AIR STRIKE zu tun hatte.

Eine gewisse Schadenfreude darüber, dass die als Referenz geplante Patriotismus-Parade so pompös baden ging und von der Kritik ungewohnt einhellig in der Luft (höhö!) zerrissen wurde, lässt sich freilich nicht leugnen. Derartig nationalistisch geprägte Propagandaschleudern haben ja prinzipiell immer etwas grundlegend Unsympathisches und zu viel Pathos kann schnell lachhaft wirken. Wer aber nun meinte, der Misserfolg leite diesbezüglich den Anfang vom Ende ein, war entschieden auf dem Holzweg. Denn mit 800 [2020], SACRIFICE [2020] sowie BATTLE OF LAKE CHANGJIN [2021] standen schon die nächsten Schlacht-Epen Spalier, um alte Feindbilder neu zu erwecken und die Überlegenheit des eigenen Volkes zu demonstrieren. Und diese Male klingelte auch die Kasse. AIR STRIKE bleibt somit nicht mehr als eine kuriose Fußnote, die ohne die Mitwirkung von Bruce Willis schon längst vergessen wäre.

Laufzeit: 97 Min. / FSK: ab 16

Samstag, 20. April 2024

CITY UNDER SIEGE


CHUN SING GAI BEI
Hongkong 2010

Regie:
Benny Chan

Darsteller:
Aaron Kwok,
Shu Qi,
Collin Chou,
Wu Jing,
Zhang Jingchu,
Yuen Wah,
Ben Wong,
Tie Nan



Inhalt:

Sunny Li [Aaron Kwok] ist Zirkusakrobat. Nicht gerade ein Traumjob, zumal er auch nur die zweite Geige spielt und vom Rest der Truppe überwiegend Verachtung und Spott kassiert. Sein Leben wird allerdings spektakulär auf den Kopf gestellt, als er eines Tages seine Kollegen dabei überrascht, wie sie in einer Höhle einen Schatz aus Zeiten des Zweiten Weltkrieges bergen. Wider Erwarten befindet sich in dem gefundenen Behältnis aber kein Gold oder Ähnliches, sondern ein geheimnisvolles Gas, von welchem Sunny eine volle Ladung abbekommt. Seitdem ist nichts mehr, wie es war, denn Sunny entdeckt an sich neue metaphysische Fähigkeiten. Doch auch seine Kompagnons verändern sich, wenn auch auf andere Art und Weise: Ihre Körper mutieren, sie entwickeln übermenschliche Kräfte und eine enorme Aggressionswut. Schon bald werden sie für ihre Mitmenschen zur kolossalen Bedrohung. Um die Welt zu retten, muss Sunny nun beweisen, was wirklich in ihm steckt.

Kritik:

Die finanziellen Höhenflüge von Hollywoods Heldenkollektiven konnte auch Hongkongs Filmindustrie irgendwann nicht mehr ignorieren. Um auf den gewinnträchtigen Zug aufzuspringen, engagierte man darum schließlich Regisseur Benny Chan, der seine Erfahrungen mit actionaffinen Stoffen hatte und mit lärmenden Spektakeln wie NEW POLICE STORY (2004) oder INVISIBLE TARGET (2007) auch internationale Aufmerksamkeit erregen konnte. Das Vertrauen in seine Expertise war dabei so groß, dass man ihm mit den Funktionen Produzent, Co-Autor und Co-Editor auch gleich noch weitere Zügel in die Hand gab. Die X-MEN waren es, die offensichtlich Pate standen für die abstruse Erzählung mutierter Schausteller, die eine großangelegte Schlacht um das Schicksal der Menschheit schlagen. Dabei bewies man keinerlei Scheu, die Pulp-Parameter bis aufs Maximum auszupegeln, scheint die Herleitung der Prämisse (ein Zirkus-Clown muss die Welt vor den Eroberungs- und Zerstörungsplänen seiner größenwahnsinnigen Kollegen retten) einem naiven Comic-Strip der 1950er Jahre entsprungen: Ein biochemisches Experiment verbrecherischer Japaner während des Zweiten Weltkrieges ist verantwortlich für die Misere, hegten die skrupellosen Nazi-Kollaborateure doch den Plan, mittels Eingriff in die menschliche Genetik unbezwingbare Super-Soldaten zu kreieren. In Folge des eigens dafür zusammengerührten Gas-Gemisches entstanden grauenerregende, kaum zu zügelnde Monster-Mensch-Hybriden, die gewiss Land und Leute ausradiert hätten, wäre nicht just in diesem Augenblick ein Bombenhagel niedergegangen, welcher die Kreaturen samt der unheilvollen Substanz direkt am Ort des Geschehens, einer unterirdischen Höhle nämlich, verschüttet hätte.

Dass eben jenes alptraumhafte Wundermittel im Hongkong der Gegenwart durch die Neugierde und Unachtsamkeit einer Zirkus-Truppe wieder freigesetzt wird, wollte allein das schwach erdachte Drehbuch, denn eine nachvollziehbare Motivation haben die unfreiwilligen Unheilstifter überhaupt nicht. Aber da die Handlung ja irgendwie in Gang kommen muss, kriechen nun ein paar erwachsene Männer und Frauen, die garantiert Besseres zu tun hätten, wie abenteuerlustige Kleinkinder durch Erdreich und Gestein, um einen vermeintlichen Kriegsschatz zu finden. Warum die unfreiwillige Chemie-Keule den Großteil der Gruppe zu Schurken werden lässt, den Haupt-Protagonisten aber nicht, wird auch nicht recht erklärt, aber das könnte man sich gedanklich immerhin noch selbst hinbiegen, indem man annimmt, dass die Droge einfach den eigentlichen inneren Charakter entfesselt und potenziert. Warum sich der Held aber vor der finalen Entfaltung seiner Superkräfte kurzzeitig zum fetten Schwamm umformt, hinterlässt dann wieder reichlich Fragezeichen.

Besagter Held wird von Aaron Kwok [→ MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN] verkörpert, der keine Hemmungen hat, sich dafür auch mal anständig zum Affen zu machen. Zu Beginn noch der Clownerie verschrieben (was natürlich auch der Rolle geschuldet ist), entwickelt er sich im Laufe der Ereignisse mehr und mehr zum integren Weltenretter - wobei es aufgrund der anfänglichen Kaspereien durchaus schwerfällt, ihn später als große Nummer ernstzunehmen. Als Chef-Kontrahent schält sich alsbald sein früherer Mobber Zhang Dachu heraus, gespielt von Collin Shou [→ SPECIAL ID], der in seinem klobigen Ganzkörperkostüm beim Drehen gewiss keine einfache Zeit hatte. Dazu gesellt sich Shu Qi [→ EXTREME CRISIS], die als Nachrichtensprecherin den Helden unter ihre Fittiche nimmt – nicht ganz uneigennützig, versucht sie doch mit dessen medialer Ausschlachtung, ihre stagnierende Karriere wieder in Schwung zu bringen. Und zu guter Letzt agieren noch Zhang Jungchu [→ BEAST STALKER] und Wu Jing [→ WOLF WARRIOR] als von der Polizei eingesetzte Mutantenjäger, die dem Helden erst argwöhnisch gegenüberstehen, sich schließlich aber mit ihm verbünden und anständig mitprügeln.

Denn natürlich läuft alles auf eine deftige, mit viel Drahtseilgezurre und Computereffekten unterfütterte Zerstörungsorgie hinaus, bei der meterweit durch die Luft geflogen und allerhand Mobiliar zerstört wird. Diese Augenblicke gehören dann auch zum Besten, was CITY UNDER SIEGE zu bieten hat, denn hier war Benny Chan ganz in seinem explosiven Element. Stagnieren tut die Sache indes immer dann, wenn man mehr sein wollte als simpler Krawall und emotionale Zwischentöne anklingen ließ. So liegen die beiden miteinander verbandelten Polizei-Protagonisten im Clinch betreffend der geplanten gemeinsamen Zukunft, der Bösewicht hegt urplötzlich Gefühle für die Fernsehfrau, welche sich wiederum aus völlig unerfindlichen Gründen in den Helden verguckt, der seinerseits - wie eingeschobene Erinnerungsbruchstücke verdeutlichen – an einer komplizierten Beziehung zu seinem Vater zu knabbern hat. All das funktioniert nicht die Bohne, da man es nicht mit echten Charakteren zu tun hat, sondern mit Abziehbildern, und führt zu zahlreichen Momenten der Lähmung und Lächerlichkeit. Seinen Höhepunkt findet das im Finale, als Shu Qis Figur zwischen Destruktion und Feuerfunken dem Schurken klarzumachen versucht, was das Wesen wahrer Liebe ist.

Abseits seiner Action ist CITY UNDER SIEGE somit eine reichlich misslungene Veranstaltung, da sie ihre Defizite im Bereich der Narration nicht aufwiegen kann. Dazu kommt, dass die eingesetzten Monstermasken und -kostüme für das Produktionsjahr recht altbacken daherkommen und sich mit dem deutlich moderneren Pixel-Popanz visuell nicht vertragen. Collin Shous schwerfällig anmutendes Eidechsen-Outfit (oder was immer das für ein Vieh sein soll) scheint wie direkt aus dem Fundus des 90er-Jahre-TURTLES-Artefakts gezogen. Vor allem aber wirkt das Werk seltsam unsympathisch, da allzu offensichtlich ist, dass man im Sinne der Finanzmaximierung lediglich ein paar in Übersee funktionierende Formeln kopieren wollte. Statt Eigenständigkeit regiert simples Nachgeäffe; eine Verknüpfung der Vorbilder mit eigenen Tugenden bleibt ebenfalls aus (Grimassenschneiden zählt nicht). Benny Chans nachfolgende Arbeit SHAOLIN (2011) begab sich dann glücklicherweise wieder auf vertrautes Terrain.

Laufzeit: 110 Min. / Freigabe: ab 16

Samstag, 13. April 2024

SHAOLIN BASKETBALL HERO


GONG FU GUAN LAN
China, Taiwan 2008

Regie:
Kevin Chu Yen-Ping

Darsteller:
Jay Chou,
Eric Tsang,
Charlene Choi,
Chen Bolin,
Baron Chen,
Ng Man-Tat,
Eddy Ko,
Kenneth Tsang



Inhalt:

Das Schicksal meinte es bisher nicht besonders gut mit Fang Shi-jie [Jay Chou]: Als Säugling im Park ausgesetzt, wurde er erst von einem Landstreicher gefunden, dann der Obhut eines ansässigen Kung-Fu-Klosters übergeben, wo er zu einem jungen Mann heranwuchs, zwar sportgestählt, aber ohne Orientierung und Lebensziel. Als er sich eines Nachts mit Schurken herumprügelt, wird er von seinem Meister verstoßen und ist gezwungen, ohne Geld und Obdach im Park zu übernachten. Dort trifft er auf den alternden Überlebenskünstler Li Zhen [Eric Tsang], der Fangs Treffsicherheit beim Werfen bemerkt und ihm die Mitgliedschaft im Basketball-Team der Universität verschaffen kann. Tatsächlich erweist Fang sich als Naturtalent und wird quasi unbesiegbar, als er seine natürliche Gabe mit seinem Wissen um Kung-Fu-Taktiken kombiniert. Als es Li gelingt, ihn als „Basketball-Waisenkind“ zu vermarkten, wird Fang urplötzlich zum umjubelten Star.

Kritik:

Dem chinesischen Regisseur und Schauspieler Stephen Chow gelang im Jahre 2001 mit SHAOLIN SOCCER ein Überraschungserfolg. Die Erschaffung einer neuen Sportart, einer (natürlich realitätsfernen) Mixtur aus Kung Fu und Fußball (in der deutschen Fassung folgerichtig Kung-Fußball genannt), ließ, in Verbindung mit viel Klamauk und Typenkomik, kräftig die Kassen klingeln. Seitdem wurde das zugrunde liegende Konzept mehrere Male kopiert und auch SHAOLIN BASKETBALL HERO bildet da keine Ausnahme. Zwar gab man zwischenzeitlich auch mal zu Protokoll, die eigentliche Inspiration sei der bereits 1990 erschienene Manga SLAM DUNK gewesen, aber selbst, wenn das der Wahrheit entspräche, spielte es keine große Rolle, existieren zur vermeintlichen Vorlage doch kaum Parallelen. Stattdessen orientierte man sich merklich an der Erfolgsformel des 7 Jahre zuvor entstandenen Publikumslieblings: Als Aufmerksamkeitserreger und Alleinstellungsmerkmal dient abermals die Kombination einer bekannten Sportart mit Kung-Fu-Elementen, während man auf inhaltlicher Ebene der klassischen Ein Außenseiter sucht seinen Platz im Leben-Regel gehorcht, die spätestens seit ROCKY (1976) das Körperertüchtigungs-Kino bestimmt.

Überbordende Originalität ist somit schonmal nicht die Komponente, mit der Autor und Regisseur Kevin Chu [→ ISLAND OF FIRE] hier auf Stimmenfang geht. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein, zumal im Grunde jede Geschichte schon irgendwann einmal erzählt wurde. Die Prämisse des Waisenknaben auf dem Wege der Selbstfindung funktioniert zudem immer wieder gut, während die hier präsentierte Kung-Fu-Ausbildung wohlige Erinnerungen an frühere Shaw-Brothers-Glanzlichter wie DER TEMPEL DER SHAOLIN (1976) weckt. Anders als dort trägt die Lehre der Kampfkunst hier jedoch nicht zur inneren Ausgeglichenheit und Charakterfestigung bei (kein Wunder, sonst wäre SHAOLIN BASKETBALL HERO bereits nach dem Vorspann vorbei), sondern bildet die Basis für den weiteren Prozess des Protagonisten Fang (Jay Chou [→ CITY UNDER SIEGE]), welcher nach zwangsauferlegtem Ausschluss aus dem Bildungs- und Bindungstempel mittellos und ohne die geringste Zukunftsvision auf der Straße landet. Folgerichtig vom Drehbuch konstruiert, trifft er dort auf den sympathischen Herumtreiber Li, der sich in einer ähnlich trostlosen Situation befindet. Doch wo Fang desillusioniert und antriebslos ist, ist Li - unnachahmlich herzeinnehmend verkörpert vom schauspielerischen Schwergewicht Eric Tsang [→ INFERNAL AFFAIRS] - ein Quell des Optimismus' und sieht das Leben als ein Hort an Möglichkeiten. Natürlich erkennt er auf Anhieb, dass in Fang verborgenes Talent schlummert, und auch die Chance, darauf eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Die Bekanntschaft der beiden Männer gipfelt schließlich im gewinnendsten Moment des Films, in dem Li seinen jungen Schützling zum Essen einlädt. Da Li sich aber selbst kaum die Butter auf dem Brot leisten kann, platziert er einen Tisch im Hinterhof eines Nobel-Restaurants, wo ihm seine Tochter, die in besagtem Fresstempel als Bedienung arbeitet, all die Dinge serviert, die das dekadente Besuchertum verschmäht. Li und Fang jedoch bedeuten diese (vermeintlichen) Reste eine Menge und sie genießen ihr Mahl. Ein sehr schöner, sehr intimer Moment, der Herz für die von der Gesellschaft Ignorierten zeigt und den Blick auf den Wert der kleinen Dinge lenkt.

Leider verkannte Chu in seiner Funktion als Autor, dass eben diese fabelhaft funktionierenden Chemie zwischen Fang und seinem späteren Mentor Li die große Stärke seines Werkes ist. Stattdessen wird der Fokus im Nachfolgenden auf überwiegend nutzlose Nebenschauplätze verlagert. Vor allem Fangs flugs herbeizitierte Zuneigung zur zwar zuckersüßen, aber völlig profillosen Standard-Frauenrolle Lily trägt keinen Deut zu irgendetwas bei, weder zur Charakterbildung, noch zum Fortlauf der Ereignisse. Lily ist allzu offensichtlich nur deswegen im Skript, weil es ohne Liebes-Gelüste wohl einfach nicht gehen darf - und weil ihre Darstellerin Charlene Choi [→ NEW POLICE STORY] in ihrer Heimat dank ihrer Gesangs-Karriere wohl immer noch populär genug war, um noch ein, zwei Eintrittskarten mehr verkaufen zu können. Dass die Dame dabei künstlerisch kriminell unterfordert wurde (sie muss wirklich nichts weiter tun, als ein paar Mal durchs Bild zu laufen und dabei niedlich auszusehen), hat sie vermutlich nicht weiter gestört. So simpel sichert sich schließlich nicht jeder seine Miete.

Aber auch derlei Romantik-Anwandlungen werden nur halbherzig behandelt – wie eigentlich alles nur kurz angerissen, dann aber kaum vertieft wird. Das gilt paradoxerweise auch für das eigentliche Herzstück der Erzählung: den sportlichen Wettkampf. Dieser wird ja unter anderem auch deshalb so gern zum Gegenstand cineastischer Unterhaltung gemacht, weil er eben eine gewisse Grundspannung und -dramatik verspricht. Hier ist davon allerdings rein gar nichts zu spüren. Gegen wen eigentlich gerade gespielt wird und warum, wie die Taktik des Teams lautet und was vom Ausgang des Spiels abhängt, all das wird gar nicht oder nur unzureichend thematisiert, weswegen jedwedes Potential verpufft. Wobei Spannung schon allein aufgrund des mangelnden Realitätsbezugs nicht aufkommen mag. Da dürfen schon mal während des Turniers aus heiterem Himmel ein paar neue Spieler zum Team hinzustoßen, ohne dass das irgendwie ein Problem wäre. Dass Fang und seine Leute dann nicht einmal fair spielen, indem sie beispielsweise Betäubungspfeile auf ihre Gegner abfeuern, verführt auch nicht gerade zum Daumendrücken.

Letztendlich reiht SHAOLIN BASKETBALL HERO mehrere erfolgversprechende Versatzstücke aneinander und vergisst dabei überwiegend, sie miteinander in Relation zu setzen. So wirkt es befremdlich, wenn gegen Ende plötzlich vehement an Zusammenhalt appelliert wird, obwohl ein Fehlen von Mannschaftsgeist bis dahin gar nicht hinreichend herausgearbeitet und somit auch kein Konflikt installiert wurde. Die Figur des Fang wirkt zudem insgesamt eher langweilig, da sie keine sichtbare Entwicklung durchmacht. Der Bursche ist einfach ein Naturtalent in Sachen Basketball, kann von Beginn an quasi alles und muss sich weder äußeren noch inneren Herausforderungen stellen. Fangs einzige Seelenpein, nämlich die ungewisse Antwort auf die Frage, wer seine Eltern sind und warum sie ihn ausgesetzt hatten, löst sich am Ende einfach in Luft auf, ohne dass er irgendetwas dafür hätte tun müssen. Effektives Geschichtenerzählen geht anders. Einzelnen gelungenen Momenten steht somit eine dramaturgische Planlosigkeit gegenüber, die KUNG FU DUNK (internationaler Titel) insgesamt verzichtbar macht. Lediglich Fans von Eric Tsang können hier wieder ihre Erinnerung daran auffrischen, warum sie Fans von Eric Tsang sind.

Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ab 12

Freitag, 5. April 2024

GODZILLA X KONG - THE NEW EMPIRE


GODZILLA X KONG - THE NEW EMPIRE
USA 2024

Regie:
Adam Wingard

Darsteller:
Rebecca Hall,
Brian Tyree Henry,
Kaylee Hottle,
Alex Ferns,
Rachel House,
Ron Smyck,
Chantelle Jamieson,
Greg Hatton



Eigentlich begann alles recht seriös: Mit GODZILLA kam anno 2014 die amerikanische Neuauflage einer japanischen Leinwand-Legende in die Lichtspielhäuser und war erfolgreich genug, um das sogenannte Monsterverse zu begründen, ein Universum, das verschiedene Riesenmonster, teils bereits erdacht und renommiert, teils völlig neu erfunden, unter einer Kino-Kuppel vereinte. Zehn Jahre, vier Filme und eine Fernsehserie später ist es mit der einstigen Ernsthaftigkeit Essig: GODZILLA X KONG ist inhaltlich dermaßen drüber (beziehungsweise eigentlich ja drunter), dass ein dickes Fell allein schon nicht mehr ausreicht: Da muss schon ein ganzer Riesenaffenpelz her, um die amtliche Unfug-Überdosis angemessen abperlen lassen zu können. Interessanterweise jedoch steht die Kokolores-Offensive der Kaijū-Saga ganz gut zu Gesicht - sofern man gewillt ist, sich auf das buchstäblich tiefergelegte Story-Niveau einzulassen:

Inhalt:

Menschen und „Titanen“ leben mittlerweile in einer gebrechlichen Co-Existenz zusammen – über- und unterirdisch. Eines Tages taucht „Godzilla“ überraschend in Frankreich auf und säuft ein Atomkraftwerk leer. Die von Nuklearenergie lebende Bestie scheint Kräfte für einen großen Kampf zu sammeln. Gleichzeitig laufen bei Monarch, der Institution zur weltweiten Überwachung von Monsteraktivitäten, die Drähte heiß: Ein Signal dringt aus dem Inneren der Erde – offenbar ein Hilferuf. Der Techniker Mikael [Alex Ferns] sowie ein paar teils bereits aus dem Vorgänger bekannte Figuren, die Wissenschaftlerin Ilene Andrews [Rebecca Hall], ihre Adoptivtochter Jia [Kaylee Hottle], der Tierarzt Trapper [Dan Stevens] sowie der Verschwörungsideologe Hayes [Brian Tyree Henry], begeben sich mittels eines speziellen Fluggerätes unter die Erdoberfläche. Dort vegetiert auch der gigantische gorillaartige „Kong“, der ziemlich zeitgleich eine überraschende Entdeckung macht: In einem verborgenen Winkel der Hohlerde lebt eine Spezies aggressiver Affen. Und sie scheint nichts Gutes im Schilde zu führen.

Kritik:

GODZILLA X KONG verlagert die Ereignisse dieses Mal überwiegend in besagte „Hohlerde“, jene bereits innerhalb der Reihe etablierte Jules-Verne-artige Welt unter der Welt, was prinzipiell sinnvoll ist: Hier konnten die Autoren nach Belieben über die Stränge schlagen, ohne ihren Irrsinn großartig erklären zu müssen. Und tatsächlich erinnert das nicht selten an den naiven Kintopp früherer Tage, als man sich mit Schmu wie DER SECHSTE KONTINENT (1976) noch traute, dem Publikum eine Ungeheuerlichkeit nach der nächsten aufzutischen. So lauern auch hier hinter jedem Stein und Strauch neue Monstrositäten, was oftmals selbst diejenigen überrascht, die in dieser Umgebung leben: Flugechsen, Seeschlangen, fleischfressende Bäume, vergessene Völker, aggressive Affenstämme, alles gibt sich gegenseitig die Klinke in die Hand. Das ist teilweise schon recht unterhaltsam, wirkt aber niemals wirklich echt. Während das Team um James Cameron z. B. für AVATAR eine Welt erschuf, bei der alles penibel durchdacht erscheint (so wie – wenn man im Sujet bleiben möchte – Peter Jackson & Co. das auch bei KING KONG [2005] taten), warf man bei GODZILLA X KONG einfach alles, was einem irgendwie gerade brauchbar vorkam, in den großen Titanen-Topf und rührte anschließend ein paar Panoramen dazu, die zwar imposant anzusehen sind, aber ebenfalls kein stimmiges Ganzes ergeben wollen, weswegen die Hohlerde an so ziemlich jeder Ecke ein wenig anders aussieht.

Trotz gleichberechtigter Names-Nennung im Titel liegt der Fokus der Erzählung dabei dem Schauplatz entsprechend auf dem Riesenaffen Kong, der vielleicht auch deshalb menschlicher agieren darf als jemals zuvor. Wenn er sich eine Wasserfall-Dusche gönnt oder nach anstrengendem Zweikampf eine Mahlzeit einverleibt, hat er kaum noch etwas Animalisches an sich und wirkt fast wie ein gewöhnlicher Straßen-Typ mit Bauarbeiter-Charme. Es liegt an einem selbst, ob man sich davon irritieren lassen möchte oder nicht. Dass Kong es im weiteren Verlaufe mit einem Stamm kriegerischer Affen zu tun bekommt, erinnert gewiss nicht zufällig an die erfolgreiche PLANET DER AFFEN-Reihe der Konkurrenz. Auf jeden Fall nutzte man das Thema, um ein paar horrorartige Momente unterzubringen, könnte sich der Anführer der blutdürstigen Horde, der Scar-King, ohne Mühe auch als Antagonist für HELLRAISER bewerben.

Mit Godzilla hingegen wussten die Macher dieses Mal nicht allzu viel anzufangen. Dessen Auftritte wirken recht ziellos - was auch damit zusammenhängt, dass man sich offenbar immer noch nicht entschieden hat, auf welcher Seite der nukleare Gigant denn nun eigentlich stehen soll: Einerseits hilft er zwar nach wie vor den Menschen, indem er andere Ungeheuer bekämpft, andererseits haut er auch gewissenlos befahrene Autobahnbrücken entzwei, was garantiert mehreren Unglücklichen gehörig den Tag versaut. Dass man im einen Moment nochmals betont, es mit einem Schutzpatron zu tun haben, während man ihm im anderen dann aber doch eine Fliegerstaffel auf den Hals hetzt, hilft ebenfalls nicht dabei, Widersprüche aufzulösen. Und dann darf sich Godzilla auch wieder einen kleinen Kampf mit Kong liefern, was auch nicht so richtig schlüssig ist, da beide eigentlich auf gleicher Seite stehen. Hier sparte man offenbar absichtlich mit hauseigener Logik, um dem Fan das bieten zu können, was er (vermeintlich) am meisten begehrt.

Und natürlich sind Freunde sich kloppender Kolosse hier prinzipiell schon an der richtigen Adresse. Zur Auswahl stehen unter anderem noch ein neu erschaffenes Monster, das ein wenig wirkt, wie die etwas zurückgebliebene Schwester von Gamera, der Riesenschildkröte, und ein altbekanntes aus dem klassischen Godzilla-Universum, das zwar toll designt und animiert ist, hier aber wirklich rein gar nichts zu tun hat und nur dabei ist, damit es eben dabei ist. Im Finale gingen den Machern dann ganz schön die Gäule durch, wenn Godzilla und Kong aus dem Boden brechen und losstolpern wie zwei Superhelden, die den letzten Bus in Richtung Erdrettung noch erreichen müssen. Dass ausgerechnet der bewegungstechnisch eher als behäbig bekannte Godzilla nun plötzlich sprinten kann, als habe er eine Atomrakete im Allerwertesten, stiftet dabei fast noch mehr Verwirrung, als das allzu menschliche Gebaren Kongs. Spielt allerdings ohnehin bald keine Rolle mehr, denn wenn schließlich auch noch die Schwerkraft aufgehoben wird (ja, das geht!) und sich die Riesen folglich einander im Schwebezustand verwemsen, ist eh egal, wer wann wie schnell laufen kann.

Bei aller grundsätzlichen Verbundenheit zur infantilen Übertreibung muss man konzedieren, dass der schrille Showdown der Sache insgesamt eher schadet als nützt. Ein bisschen mehr Bodenständigkeit (gern auch im buchstäblichen Sinne) wäre dem Gesamteindruck gewiss zuträglich gewesen. Es ist nicht unironisch, dass ausgerechnet der Westen, der sich für die Naivitäten des asiatischen Monsterkinos jahrzehntelang überwiegend im Spott erging, nun den diesbezüglich mit Abstand albernsten Aufwurf produzierte, während die Tōhō-Studios nur vier Monate zuvor mit GODZILLA – MINUS ONE einen neuen japanischen Beitrag vorlegten, der mit seiner Rückbesinnung auf die düsteren Wurzeln des destruktiven Wesens selbst seriöse Kritiker zu Kreuze kriechen ließ. Der Kontrast zum vorliegenden Spektakel könnte somit größer kaum sein – wobei es mit seinem Hang zum hemmungslosen Nonsens nicht grundlegend unsympathisch geriet. Man kann ihm gewiss viel vorwerfen, Langeweile gehört nicht dazu. GODZILLA X KONG (Was wohl das „x“ im Titel bedeuten soll? Dass man die Logik zu Grabe getragen hat?) ist daher mit tiefergelegtem Anspruch durchaus einen Blick wert. Aber den Affenpelz nicht vergessen! Denn das hier ist so blöd, das brüllt schon!

Laufzeit: 115 Min. / Freigabe: ab 12

Montag, 1. April 2024

CREATION OF THE GODS - KINGDOM OF STORMS


FENG SHEN DI BU - ZHAO GE FENG YUN
China 2023

Regie:
Wuershan

Darsteller:
Yu Shi,
Kris Phillips,
Huang Bo,
Chen Muchi,
Li Xuejian,
Narana Erdyneeva,
Yang Le,
Xia Yu



Inhalt:

China, Shang-Dynastie, zur Zeit der Zauberer und Dämonen: Der König entsendet Yin Shou [Kris Phillips], um ein Heer Aufständischer niederzuschlagen. Siegreich kehrt Shou zurück. Aber die anschließenden Feierlichkeiten werden zum Desaster: In einem unerklärlichen Fall geistiger Umnachtung tötet Kronprinz Qi [Gao Shuguang] seinen eigenen Vater, woraufhin das Land aus heiterem Himmel ohne König dasteht. Im Rahmen des Thronfolge-Gesetzes wird daraufhin Yin Shou zum Herrscher ernannt. Doch dessen Sohn Jiao [Chen Muchi] entdeckt Schreckliches: Die sirenenhafte Su Daji [Narana Erdyneeva], eine Art „Mitbringsel“ aus Feindeshand und nun Gespielin seines Vaters, ist von einem Fuchsdämon besessen und scheint des Königs Verstand sukzessive zu vergiften. Der Versuch Jiaos, auf die Gefahr aufmerksam zu machen, wird als Verrat interpretiert, woraufhin er alsbald die Flucht antreten muss.

Währenddessen beschließen die Unsterblichen von Kunlun, den Menschen die magische „Schriftrolle der Investitur“ anzuvertrauen, welche die Macht besitzt, die weltliche Ordnung wiederherzustellen. Der kauzige Jiang Ziya [Huang Bo] opfert 40 Jahre seiner Unsterblichkeit, um das Artefakt Yin Shou zu überreichen. Doch als er dessen wahren Charakter erkennt, flieht er mitsamt der Schriftrolle wieder aus dem Palast. Nun hat Ziya nicht nur die Häscher des Königs an den Fersen, sondern auch den bösartigen Alchemisten Shen Gongbao [Xia Yu], der ebenfalls auf das Utensil aufmerksam wurde und nun alles daransetzt, dieses mächtige Werkzeug an sich zu reißen.

Kritik:

Eine Inhaltsangabe zu KINGDOM OF STORMS muss, möchte man nicht den Rahmen sprengen, unvollständig bleiben. Denn was hier an Gestalten und Geschichten aufgefahren wird, ist regelrecht maßlos und geht in Richtung der staffelreichen TV-Saga GAME OF THRONES. Allerdings war INVESTITURE OF THE GODS, die Buch-Vorlage der überbordenden Leinwand-Phantasmagorie, deutlich früher da: Bereits im 16. Jahrhundert erdachte Schriftsteller Xu Zhonglin diese alternative Historie Chinas, eine von Fantasy und Folklore geprägte Version der politischen Ereignisse nach dem Aufstieg des letzten Königs der Shang-Dynastie, eine Welt, in der Menschen, Götter und Dämonen aufeinandertreffen in einem großen Ränkespiel um Macht, Intrige und Verrat. Um das Werk angemessen adaptieren zu können, hielt man sich gar nicht erst mit halben Sachen auf: Umgerechnet 400 Millionen US-Dollar nahm man (zumindest offiziellen Angaben nach) in die Hand, um selbstbewusst und siegessicher gleich drei überlange Großereignisse am Stück zu produzieren und unter dem Haupttitel CREATION OF THE GODS zu firmieren. Rund 15.000 Vorsprechen hielt man angeblich ab, um die Besetzung zusammenzustellen, woraufhin sich die Sieger erst einmal sechs Monate in ein Trainingslager begeben durften, um eine Ausbildung in Sachen Schauspiel, Kämpfen, Reiten und Schießen zu erhalten, damit Körper und Muskeln im Anschluss denen damaliger Krieger entsprachen. Ganz schön viel Aufwand, um eine Epoche zu rekonstruieren, die es in dieser Form ja niemals gab!

Ob diese Maßnahmen übertrieben waren oder nicht, ist gewiss diskussionswürdig, geschadet haben sie dem Werk jedenfalls nicht: Dem Team um Regisseur Wuershan [→ MOJIN] gelang es, eine Welt zu entwerfen, die sich, trotz durchschnittlicher digitaler Effekte, auf Anhieb echt und glaubwürdig anfühlt, obwohl hier wirklich am laufenden Meter lauter fürs Publikum wundersame Dinge passieren. Die bedingungslose Akzeptanz der Anwesenheit von Magie und Übernatürlichem muss freilich Prämisse sein, um kein Stirnrunzel-Trauma zu erleiden. Bereits zu Beginn, der noch am ehesten einem klassischen historischen Schlachtengemälde gleicht, kündigt sich schon der erste Hokuspokus an. Allerdings ist man an dieser Stelle noch viel zu beschäftigt damit, sich zurechtzufinden, wird man doch unversehens hineingeworfen ins gewalttätige Gewühl und eh man überhaupt begriffen hat, wer gegen wen und warum, haben auch schon mehrere Leute dekorativ ins Gras gebissen. Die Vielzahl an Figuren, die einem auch im weiteren Verlaufe um die Ohren fliegt, mag vielleicht zunächst abschrecken, irritiert aber nur kurzzeitig. Denn obwohl KINGDOM OF STORMS jede Menge an Personal auffährt, das einem stets per viel zu kurzer Texteinblendung vorgestellt wird, gelang es der vierköpfigen Autorenschaft, die Ereignisse schlussendlich doch in erstaunlich übersichtlichen Bahnen ablaufen zu lassen. Und das will schon was heißen bei dem amtlichen Aufgebot an Akteuren, die alle ihren eigenen Hintergrund und seelischen Zwiespalt mitbringen. Gut eine Stunde dauert es, bis allein die Exposition geschafft und die konstitutive Konfliktsituation installiert ist. Aber auch dann bleiben ja noch 90 Minuten, die bestmöglich genutzt werden.

Inhaltlich ist das kaum neu (wie denn auch, bei einer Vorlage, die aus der Zeit der Ming-Dynastie stammt?) und auch nur leidlich originell, aber doch erstaunlich frisch und schwungvoll erzählt. Die Figuren gehorchen zwar gängigen Rollen-Klischees, aber man interessiert sich für sie und ihre Schicksale, da die moralischen Dilemmata, denen sie ausgesetzt werden, ebenso nachvollziehbar wie fortwährend aktuell sind - wobei eine kleine, aber durchaus bedeutsame Fußnote nicht unter den Tisch fallen sollte: Während in China produzierte Kampfgelage in ihrer Botschaft oft einer menschenverachtenden Ideologie folgen, die den Wert des Individuums geringer schätzt als das Erreichen eines (vorgeblich) hehren Ziels, dreht KINGDOM OF STORMS diese Perspektive nämlich auf links und plädiert für die Würde des Einzelnen unter dem Joch misanthropischer Regeln und Regentschaft. So erkennt z. B. der „Teilzeit-Unsterbliche“ Jiang Ziya die Verworfenheit des Königs, als dieser ohne zu zögern einen Bediensteten opfert, um seine Interessen durchzusetzen. Ohnehin sterben hier ganze Wagenladungen unschuldiger Menschen teils aus reiner Willkür und verbohrter Weltanschauung, was der bonbonbunten Optik eine nihilistische Note hinzufügt.

Trotz diverser dramatischer und düsterer Elemente ist der Auftakt zur CREATION OF THE GODS-Reihe jedoch in erster Linie ein spaßiges Spektakel, das durchaus humorvoll ist, ohne dabei der Albernheit anheimzufallen. Das liegt auch an besagtem Jiang Ziya, einem von Huang Bo herrlich kauzig verkörperten „Gott-Opi“, der stets zwei „Arbeitskollegen“ im Gefolge hat, darunter auch ein temperamentvoller Halbwüchsiger, der bei Bedarf zwecks raketenartiger Fortbewegung Feuerringe unter den Füßen aktivieren kann und lange rote Bänder als Lasso einsetzt. Da das Trio nicht auf Anhieb als „allmächtig“ erkannt werden will, fragt der Junge in jeder brenzligen Situation immer erst artig, ob er jetzt seine Kräfte einsetzen darf, was an den Comic-Helden Obelix erinnert, der auch immer erst brav um Erlaubnis bittet, seinen Gegner aus den Schuhen hauen zu dürfen.

Dass CREATION OF THE GODS so oft mit DER HERR DER RINGE in Verbindung gebracht wird, hat nicht nur den Grund, dass manche Kritiker offensichtlich den Zwang haben, ständig Vergleiche ziehen zu müssen, sondern liegt auch daran, dass die Macher das in diesem Falle gewissermaßen selbst forcieren: So gab Wuershan zu Protokoll, die legendären Verfilmungen Peter Jacksons haben ihn ermutigt, selbst ein Projekt dieser Größenordnung anzugehen. Zudem engagierte man Barrie M. Osbourne, den Produzenten der bahnbrechenden Trilogie, als Berater. Aufs Glatteis führen lassen sollte man sich dadurch allerdings nicht; beide Werke sind inhaltlich wie stilistisch sehr verschieden. Eine viel naheliegendere Assoziation wäre die mit diversen Klassikern der Shaw Brothers, an deren Optik sich die Macher unter anderem in Sachen Kostüm und Kulisse offenbar orientiert haben. Fantasy-Freunde kommen bei dieser Eröffnungsveranstaltung dennoch voll und ganz auf ihre Kosten und bekommen aus wilde Mixtur aus Machtgerangel, Magiegewusel und Monsterquatsch, bei der die Zeit trotz Überlänge wie im Flug vergeht. Beziehungsweise im Sturm.

Laufzeit: 148 Min. / Freigabe: ab 16

Montag, 18. Dezember 2023

SILENT NIGHT - STUMME RACHE


SILENT NIGHT
USA 2023

Regie:
John Woo

Darsteller:
Joel Kinnaman,
Kid Cudi,
Catalina Sandino Moreno,
Harold Torres,
Vinny O’Brien,
Yoko Hamamura,
Valeria Santaella,
Angeles Woo



„...“


Inhalt:

Brian Godlock [Joel Kinnaman] hat so ziemlich alles, was man zum Glücklichsein braucht: Frau, Kind und einen extrem hässlichen Weihnachtspulli. Doch ausgerechnet am Fest der Liebe wird diese Idylle zerstört: Als sich direkt vor seiner Haustür zwei Straßen-Gangs bekriegen, bekommt sein Sohn einen Querschläger ab und stirbt noch an Ort und Stelle. Rasend vor Zorn und Trauer jagt Brian den Gangstern in einer Spontanreaktion hinterher – und bekommt selbst eine Kugel ab. Er überlebt. Aber sein Sprachzentrum ist zerstört. Und sein Leben natürlich auch. Spätestens, als auch seine Frau ihn verlässt, reift in ihm ein neuer Daseinszweck: die Vernichtung der Straßen-Gangs. Und des Mörders seines Sohnes.

Kritik:

In der Film-Branche reicht es in seltenen Fällen bereits aus, ein außergewöhnliches Konzept vorlegen zu können, um Produktionsgelder bewilligt zu bekommen. Beispiele: Ein Jugenddrama in Echtzeit und einer einzigen Einstellung ohne Schnitt. Ein Ballerfilm komplett aus subjektiver Sicht. Ein Actionfilm, der ausschließlich in einem Hotelzimmer spielt. Bei SILENT NIGHT dürfte es ähnlich abgelaufen sein. Die Idee: Ein Rachefilm, der vollkommen auf Dialoge verzichtet und seine Geschichte ausschließlich anhand seiner Bilder erzählt. Damit die Sprachlosigkeit des Protagonisten auch plausibel erscheint, bekommt dieser bereits nach wenigen Minuten eine Kugel in den Kehlkopf geballert und wird vom Täter als vermeintlich verblichen zurückgelassen. Da SILENT NIGHT aber eben kein Kurzfilm ist, überlebt der bis dahin glückliche Familienvater die Prozedur und wird im Krankenhaus so weit es geht wieder zusammengeflickt. Das behelfsfreie Gehen funktioniert nach geraumer Zeit zwar wieder, der Kirchenchor wird in Zukunft allerdings auf ihn verzichten müssen.

Dass das alles tatsächlich auch ohne Worte verständlich ist, liegt daran, dass das Publikum mit Film-Sprache und Genre-Schablonen bereits hinreichend vertraut ist. Schließlich werden immer wieder dieselben Muster und Methoden verwendet, um Geschichten an Mann und Frau zu bringen. So häufig und so repetitiv, dass begleitende Verbalisierungen in der Tat oftmals sogar banal oder obsolet wirken. Um die Pointe vorwegzunehmen: Funktionieren tut es im Falle SILENT NIGHTs dennoch nicht - in erster Linie, weil man es nicht geschafft hat, das eigene Konzept konsequent durchzuziehen. Dass die Hauptfigur keinen Mucks von sich gibt, ist im Rahmen der Handlung hinreichend und nachvollziehbar erklärt. Aber dass auch der Rest der Welt überwiegend die Klappe hält und sich stattdessen meist nur blasierte Blicke zuwirft, wirkt völlig befremdlich. Entscheidend ist dabei das Wort „überwiegend“. Denn wäre wenigstens diese Idee eisern durchgezogen, könnte man das zumindest als eigenwilligen künstlerischen Kniff akzeptieren. Aber so ist es eben nicht: Hin und wieder fallen nämlich doch schon mal ein paar knappe Sätze – wenn auch mit einem Dämmungseffekt unterlegt, weswegen es nun so klingt, als befände sich der Sprechende irgendwo im Nebenraum. Das ergibt in seiner Gesamtheit dann tatsächlich gar keinen Sinn mehr, sodass man den Eindruck gewinnt, SILENT NIGHT habe sich hin und wieder vor seinem eigenen Dogma erschrocken. Dass Radiomeldungen, Polizeifunk und Trainingsvideos ebenfalls mit Sprache versehen sind, erscheint hingegen durchaus stimmig (höhö!).

So steht dann am Ende ausgerechnet das, was man sich so selbstsicher als Alleinstellungsmerkmal auf die Fahne geschrieben hat, SILENT NIGHT im Weg. Das ist vor allem deswegen fatal, weil man auf inhaltlicher Ebene kaum Punkte sammeln kann. Streng nach Schema F arbeitet das Drehbuch die einzelnen Stationen und Entwicklungsstufen ab, frei von Innovation und Idee. Rückblende um Rückblende muss der Zuschauer zu Beginn über sich ergehen lassen, obwohl er schon längst begriffen hat, dass Brian Godlock einst, als er noch mit seinem Sohn im Garten herumtoben durfte, nahezu kriminell glücklich war. Dass seine Frau ihn schließlich verlässt, ist zwar nicht sonderlich nett, aber als entscheidender Tropfen zu viel im Fass natürlich von Bedeutung: Kind weg, Kehlkopf weg, und dann kratzt auch noch die Angetraute die Kurve. Da muss man ja zum Killer werden! Dass Brian beschließt, die böse Brut direkt an Weihnachten, also ein Jahr nach dem Tod seines Sohnes, zu den Ahnen zu schicken, ist natürlich auf emotionaler Ebene enorm effektiv, aber auch unsinnig: Was für ein dusseliger Plan ist es denn bitte, eine komplette Gang an nur einem einzigen Tag auszuschalten? Dann beginnt das übliche Prozedere, überwiegend bestehend aus Krafttraining, Schießübungen und Selbstverteidigungskursen (wobei das zumindest zum Teil verzichtbar erscheint, denn Action-Held-Qualitäten brachte der durchtrainierte Brian bereits vor seiner Schussverletzung mit, wenn er behände über Motorhauben hechtet).

In Sachen Stil und Atmosphäre gemahnt das nicht selten an den Übervater aller Selbstjustiz-Filme, nämlich DEATH WISH (1974), welcher den von Charles Bronson verkörperten Protagonisten auf seiner Reise vom Normalo zum Racheengel verfolgte. Auch hier wird die entwurzelte Hauptfigur während ihrer Streifzüge durch die Stadt immer mehr und mehr von der Lust gekitzelt, dem zahlreich vorhandenen Gesindel ein für alle Mal den Garaus zu machen. Die Zeit, die vergeht, bis der ehemalige Spießbürger dann tatsächlich seinen ersten Menschen über den Jordan schickt, ist dabei durchaus unterhaltsam und weitestgehend interessant aufbereitet (Wann er dabei zwischenzeitlich auch zum Fesselungskünstler geworden ist, der die Schurkenschaft schick verschnürt von der Zimmerdecke baumeln lassen kann, hätte man allerdings schon ganz gern mal gewusst). Anlog zur altbackenen Story fallen diesbezüglich allerdings auch einige Klischees ins Auge, teils so abgestanden, dass sie schon bedenklich an der Kante zur unfreiwilligen Karikatur kratzen. Das betrifft vor allem die ausschließlich aus Latinos bestehenden Straßenbanden, die ihre Freizeit scheinbar vorzugsweise damit verbringen, aus fahrenden Autos zu hängen, um dergestalt bleiverspitzend durch die Vororte zu rasen. Und wann immer sich die Mitglieder gegenseitig kontaktieren, ist der Angerufene gerade damit beschäftigt, irgendjemanden zu schlagen, zu foltern oder kaltzumachen. Wenn dann schließlich auf offener Straße ein Bandenkrieg ausbricht, weckt das sogar Assoziationen zum wirklich extrem stupiden DEATH WISH III (1985), der einst jedweden Realitätsbezug über Bord warf und die Pflaster Amerikas als permanente Schlachtfelder in Szene setzte.

Apropos „in Szene setzen“: Dass die Inszenierung SILENT NIGHTs von einem Altmeister des Actionfilms vorgenommen wurde, sieht man dem Ergebnis kaum an. John Woo, der sechs Jahre nach dem missglückten MANHUNT wieder Regie führte, verzichtete hier nämlich nahezu komplett auf all jene Mechanismen, für die er berühmt geworden war, mehr noch: Er verkehrte sie bisweilen sogar ins Gegenteil. Statt der tänzerischen Eleganz früherer Werke dominiert hier die ungeschlachte Rauferei, wenn man sich durch Küche, Keller und Garage kloppt und dafür so ziemlich alles zweckentfremdet, was einem spontan in die Finger fällt. Speziell das Finale macht allerdings durchaus was her und versöhnt sogar mit manchem Defizit: In nahezu surrealer Umgebung, der zu einer Art psychedelischer Diskothek umgebauten Behausung des Ober-Bösewichts, haut man sich da gegenseitig die Kugeln um die Ohren, was wirkt, als befände man sich gerade inmitten eines verschwitzten Fiebertraums. Fans von John Woo werden seinen ikonischen Inszenierungs-Stil vielleicht vermissen. Schlecht umgesetzt ist das alles dennoch nicht.

Überragend wäre SILENT NIGHT wohl in keinem Fall geworden. Selbst, wenn der Schweigsamkeits-Gimmick aufgegangen wäre, müsste man immer noch die sträflich ausgetrampelten Story-Pfade sowie die stupiden Stereotypen ins Feld führen. Mehr drin gewesen wäre allerdings dennoch, denn vieles wirkt schlichtweg nicht zu Ende gedacht. So lässt sich Brian Godlock z. B. seinen Wagen mit Panzerplatten spicken und unternimmt riskante Fahrmanöver auf der Übungsstrecke, ohne dass es später irgendeine zwingende Relevanz hätte. Dabei hätte man gerade hier die Klischees zur Tugend machen und den einsamen Rächer am Ende zu einer Art dunklen Superhelden der Marke THE PUNISHER umdeuten können, an welchen die Sache hin und wieder durchaus erinnert – wenn auch eben lediglich in der Light-Variante. So besitzt SILENT NIGHT am Ende kaum eigene Persönlichkeit, wirkt wie eine mundfaule Mischung aus Teil 1 und 3 von DEATH WISH, DEATH SENTENCE von 2007 (in dem ebenfalls ein Durchschnittstyp zum Vigilanten wird) und eben THE PUNISHER. Ein Totalausfall sieht freilich trotzdem anders aus. Generell funktioniert Weihnachts-Action ja immer ziemlich gut, da sich Blut und Schnee so schön vermischen können. Nicht jedes Mal muss es dabei ein Geniestreich wie STIRB LANGSAM oder THE LONG KISS GOODNIGHT sein. SILENT NIGHT fuhrwerkt nur in Zweiter Reihe. Aber das macht er eigentlich ganz anständig. Und der obligatorische Tauben-Gag (der irgendwann fester Bestandteil eines jeden Woo-Werkes wurde) ist dieses Mal ausnahmsweise sogar richtig lustig. Und nein: Der Gag ist nicht, dass die Taube dieses Mal eine Stumme ist. Herrje ...

Laufzeit: 105 Min. / Freigabe: ab 18