Eigene Forschungen

Sonntag, 28. September 2014

LAILA - VAMPIR DER LUST


MANTIS IN LACE
USA 1968

Regie:
William Rotsler

Darsteller:
Susan Stewart,
Steve Vincent,
M.K. Evans,
Vic Lance,
Pat Barrington,
Janu Wine,
Stuart Lancaster,
John Caroll



Nein, trotz des deutschen Titels hat man es hier nicht etwa mit Draculas rolliger Tochter zu tun. Der „Vampir“ ist hier wohl eher symbolisch zu verstehen und soll verdeutlichen, dass sich die titelgebende Dame auf nahezu unersättliche Art und Weise auf der Suche nach sexuellen Ausschweifungen befindet. Da LAILA – VAMPIR DER LUST aber gleichzeitig auch als ernsthafte Mahnung vor dem Drogenkonsum verstanden werden möchte, kommen zur Präsentation des gewährt-klassischen Kopulationsmoments auch noch eine gehörige Portion Rauschmittelmissbrauch und daraus resultierend einiges blutiges Schandwerk hinzu. Jede Menge großartiges Zeug also, das einem da versprochen wird, und dermaßen angelockt haben ihrerzeit bestimmt nicht wenige Schaulustige den Gang ins Lichtspielhaus gewagt.

Doch gar seltsam fängt es an: In einem stockdusteren Raum hockt irgendein Heiopei auf einem Stuhl und hat dabei ne Maske auf (und dabei liegt noch nicht mal irgendwo Stroh rum). Noch bevor man sich allzusehr wundern kann, was hier eigentlich gerade los ist, schiebt sich plötzlich ein bebrillter, bekrawatteter und auch ansonsten ungemein seriös aussehender älterer Herr aus der Finsternis ins Bild, der mit bierernster Miene verkündet, dass sich der anwesende Maskenhoschi gerade unter LSD-Einfluss befände und er ihm nun einige Fragen zu dieser Droge stellen werde - „um das Publikum aufzuklären“. Ach, so ist das also! Das Ganze ist eine Dokumentation. Wie schön, etwas Bildung schadet ja nie. Das folgende Interview ist dann auch wahrlich knüppelhart und sprüht nur so vor investigativem Journalismus:

„Wann haben Sie das erste Mal LSD genommen?“ - „Vor etwa zwei Jahren.“ - „Wann alt waren Sie damals?“ - „25.“ - „Wie alt sind Sie jetzt?“ - „27.“

Großartig! Und ähnlich brillant geht es auch weiter; der findige Reporter entlockt seinem Gegenüber so manch erhellende Aussage dazu, warum es sich so richtig lohne, den ganzen lieben langen Tag völlig verstrahlt zu verbringen: LSD habe ihm geholfen, sich besser zu verstehen und außerdem seine Gehirnfunktionen verbessert. Plötzlich könne er in Räume seines Lebensgebäudes gehen, die er zuvor nicht habe betreten können. Einmal habe ihm ein Mädchen vorgetanzt und unter LSD-Einfluss habe sie viel „eindringlicher“ gewirkt, viel „schöner“ und „graziöser“ (Mensch, da hätten ein paar Kännchen Gerstensaft doch auch schon gereicht).

An diesem Punkt der hochbrisanten Enthüllungsreportage wird übrigens ohne verstärkten Grund auf eine tanzende, sich dabei langsam entblätternde Dame geblendet, von der dann bis zum Schluss des lauschigen Zwiegesprächs der beiden Männer in dem dunklen Raum auch nicht wieder weggeblendet wird. Die beiden salbalbern dann auch fröhlich weiter, wobei man unter anderem erfährt, dass das Gehirn bei jedem Menschen verschieden ist und LSD den Zugang zum Unterbewusstsein erleichtert. Irgendwann werden dann auch noch in staubtrockener Begeisterung Statistiken heruntergebetet, die besagen, dass 20,7 % der amerikanischen Jugend aus den Bereichen der Colleges und Universitäten (also Studentenpack) schon mal LSD genommen haben oder innerhalb der nächsten sechs Wochen nehmen werden. Woher diese doch sehr genaue Zeitangabe mit den sechs Wochen stammt, wäre dann tatsächlich mal eine sehr interessante Frage gewesen, allerdings interessiert es zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon niemanden mehr, was der Nachrichtenheini da so alles von sich gibt, denn die holde Tänzerin ist jetzt bereits seit einigen Minuten doch ziemlich entblößt und die Kamera wird nicht müßig, ihre wippenden Hüften in Nahaufnahme und aus allen möglichen Perspektiven abzulichten. Wie war das? 20,7 %? Ja ja, schockierend das alles!

„LSD ist gefährlich!“ schimpft die Stimme dann plötzlich in mahnendem Oberlehrerton, gerade in dem Augenblick, in dem die Hüften so richtig wunderbar herumkreisen und das Bild der Tänzerin aufgrund einer optischen Kameraspielerei sogar schon anfängt, sich zu vervielfachen, „gefährlicher, als sich die meisten Menschen vergegenwärtigen.“ Schade, dabei klang das doch bis dahin eigentlich alles ziemlich geil, das mit den Räumen und den Gehirnfunktionen und so. Und die Alte im Bild sieht doch jetzt schon scharf aus, nun stelle man sich das ganze Geschlängel doch nur mal im LSD-Modus vor. Tja, so ziemlich an der Intention vorbeigeschrammt, möchte man meinen. Selbstverständlich nicht wirklich, denn diese war natürlich von Anfang an nur vorgeschoben. LAILA – VAMPIR DER LUST ist Bahnhofskinoplunder, der unter dem Deckmantel der Aufklärung und Warnung gerade versuchte, sein Publikum mit der Neugierde auf illegale Substanzen zu ködern, von denen der brave und gefrustete Familienpapa zwar fasziniert war, aber in der Regel doch ehrfurchtsvoll die Griffel lies.

„Schon in kleinen Dosierungen kann es Nervenzusammenbrüche und Selbstmorde herbeiführen“
, wird man weiter aufgeklärt, um schließlich eine elegante Überleitung zum eigentlichen Hauptprogramm herbeizufaseln. „Wir verfolgen in diesem Film die Lebensgeschichte eines Mädchens, Laila, das außer seiner nymphomanen Veranlagung als normal anzusprechen ist.“ Ach so, nur ein wenig nymphoman, das geht ja noch. Ansonsten aber alles in Butter, ja? Puh, Glück gehabt! „Normal anzusprechen“ ist, nebenbei bemerkt, auch eine richtig knorke Formulierung. Sollte das nicht eher „anzusehen“ heißen? Oder kann man die gute Laila auch unnormal ansprechen, in einer Bar zum Beispiel? Fragen über Fragen, die geklärt werden müssen. Vielleicht ja sogar von dem nun folgenden, so überaus eloquent angekündigten Zelluloid-Opus, das entgegen der Ankündigung doch nicht die Lebensgeschichte der nymphomanen, ansonsten jedoch völlig gesunden Laila erzählt, sondern nur einen kleinen Abschnitt daraus. Die Geburt und die ersten ca. 25 Jahre danach hat man sich nämlich kurzerhand gespart und ihre Geschichte beginnt nun, wie jede gute Geschichte, ganz traditionell auf der Tanzfläche einer Striptease-Bar. Vorhang auf:

Laila [Susan Stewart] ist Tänzerin in einer Striptease-Bar. Eines Tages nimmt sie das erste Mal LSD. Danach beginnt sie damit, Männer zu verführen und sie während des Geschlechtsaktes umzubringen. Das passiert drei Mal hintereinander. Beim dritten Male allerdings wird sie verhaftet. Ende.

Tja, das war sie auch schon, die „Lebensgeschichte“ der armen Laila und gleichzeitig auch die komplette Handlung dieses innovativen Meisterstücks. Mehr passiert hier nämlich tatsächlich nicht. LAILA – VAMPIR DER LUST ist ein wahnsinnig billiger Schundstreifen, der in seiner reißerischen Aufmachung zwar jede Menge Sensationen versprach, letztendlich jedoch kaum etwas davon zu halten vermochte. So funktionierte sie eben, die damalige Bahnhofskino-Masche, und man war damit – aufgrund der sagenhaft kostengünstigen Herstellung der Streifen – auch sehr erfolgreich. In diesem Zusammenhang hat man bei MANTIS IN LACE (wie das Teil fast schon edel im Original heißt) auch so ziemlich alles richtig gemacht, mehr noch: Die inhaltliche Nullnummer taugt geradezu als perfektes Anschauungsprojekt für die Mechanismen des frühen Exploitationkinos, das mit üblichen Zutaten auf Kundenfang ging und dabei gerademal für'n Appel und'n Ei in Szene gesetzt wurde.

Möglich, dass LAILA – VAMPIR DER LUST Ende der 60er Jahre sogar tatsächlich noch ein paar Leute befriedigen konnte. Rein formal wurden die Versprechen, namentlich Sex, Gewalt und Drogen, ja tatsächlich eingelöst. Aus späterer Sicht kann man mit der Umsetzung des Ganzen jedoch nicht mal mehr die eigene Großmutter erschrecken. So beschränkt sich der 'Sex' (wenn man ihn denn spaßeshalber mal so nennen möchte) auf das Räkeln halbnackter (und meistens auch nur halbhübscher) Damen im puffigen Dämmerlicht, die Gewalt auf auf- und niedersausende Mordinstrumente und ab und an ein wenig Kunstblut (war wohl ziemlich teuer, das Zeug, durfte man also nicht allzu oft verwenden) und der Drogenpart auf... nun ja,... kleine Pillen im Champagnerglas.

Produzent des Schmierstücks war Harry H. Novak, der von Anfang der 60er Jahre bis Mitte der 70er eine ganze Wagenladung ähnlicher Heuler auf die Leinwände hiefte: Immer viel nackte Haut, manchmal etwas Gewalt dazu und konsequent handlungsbefreit, um das Publikum nicht zu verwirren. 1968 drehte er zudem die Pseudo-Dokumentation MONDO MOD, aus welcher die beschriebene anfängliche Interview-Szene stammt, die speziell für die deutsche Fassung vor den Hauptfilm gesetzt wurde (das konnte man machen, da MONDO MOD in Deutschland nicht zu sehen war). Selbstverständlich (und eigentlich ist es unnötig, das zu erwähnen) ist die Szene gestellt. Der Mann hinter der Maske ist tatsächlich niemand anders als William Rotsler – der Regisseur von LAILA – VAMPIR DER LUST.

Die deutsche Fassung unterscheidet sich nicht nur aufgrund dieses hinzugefügten Intros von der Originalversion: Quasi alle Szenen, in denen nackte Brüste in Nahaufnahme zu sehen sind, wurden entfernt, darunter auch auch eine komplette und sehr merkwürdige Sex-Szene (merkwürdig deshalb, weil der Herr und die Dame, welche diese bestreiten, bis dahin niemals irgendwo im Film vorkamen und es auch danach nie wieder tun). Dafür enthält die deutsche Fassung jedoch wieder ein paar zusätzliche Szenen, bei denen es sehr rätselhaft ist, woher die überhaupt stammen, unter anderen eine sehr schräge Drogenpartyszene. Insgesamt ist die deutsche Fassung dadurch wesentlich konsumierbarer, da viel straffer geworden. Das Original hingegen versuchte, das inhaltliche Nichts zwischen Schäferstündchen, Tötungsdelikten und polizeilicher Ermittlungsarbeit mit schier endlosen Striptease-Nummern in die Länge zu zerren, was auf Dauer sehr an den Nerven sägt.

Ein großer Nachteil der deutschen Version allerdings ist, dass auch die Mordsequenzen zum Teil drastisch verkürzt wurden. Diese sind nämlich das eigentliche Highlight und der einzige Grund, warum LAILA trotz grassierender Ödnis doch noch sehenswert geriet. So beginnt die arme Lila (im Original wird sie ohne „a“ geschrieben) aufgrund ihrer LSD-Nascherei immer, wenn sie sich mit einem ihrer zahlreichen Freier vergnügt, nach ein paar Minuten heftigst zu halluzinieren. Das totale Lichtinferno entbrennt vor ihrem inneren Auge, bevor sie beginnt, wie von Sinnen mit Schraubendrehern und ähnlichem Handwerkszeug auf ihre Besteiger einzustechen. Diese Szenen sind tatsächlich hervorragend gemacht: Die Gesichter der Männer werden von bizarren Lichtspielen beleuchtet, der Sound wabert unheilvoll, die Schnitte zwischen der Realität und Lilas Horrortrips erfolgen so rasant, dass einem schwindelig wird – denn während Lila die Körper ihrer schreienden Opfer zerhackt, sieht sie sich selbst lediglich auf Kissen oder Kuscheltiere einstechen, was für herrlich surreale Bilder sorgt.

In diesen Momenten entwickelt LAILA – VAMPIR DER LUST gerade aufgrund seiner finanziellen Knappheit seine ganz eigene schäbige Poesie. Doch auch andere Dinge darf man ohne jede Reue positiv hervorheben: So sieht Susan Stewart in der Hauptrolle nicht nur passabel aus, sondern spielt ihre Rolle auch ziemlich gut (und zwar vor allem auch gerade dann, wenn sie die hysterische Tötungsmaschine gibt). Und das verträumt-verruchte Titellied von Vic Lance (der später dann auch die Rolle als Lilas erstes Opfer innehat) ist sogar ohne jede Einschränkung großartig und spukt einem Stunden später noch im Kopf herum.

Erwähnenswert ist noch, dass sich hinter der Kamera ein gewisser László Kovács befand, der später die Karriereleiter emporsteig und bei Kultfilmen wie EASY RIDER oder GHOSTBUSTERS für die Bilder sorgen durfte, bevor er dann am Ende für richtige Horrorfilme wie MISS UNDERCOVER arbeitete. MANTIS IN LACE hingegen will und wollte nie mehr sein, als das, was er auch wirklich ist: Sensationsheischende Marktschreierei mit perfider Doppelmoral, die ihre Entstehungskosten im Idealfall schon beim ersten Besucher wieder einspielt. So bietet das interessante Zeitdokument trotz seiner offensichtlichen Defizite allen Freunden leicht abseitigen Entertainments ohne Scheu vor Schäbigkeit ein durchaus erfreuliches Futter und gefällt als durchgehend unterhaltsamer, von
psychedelischen Szenen und wabernden Klangteppichen begleiteter Trip in abstruse Kinogefilde. Doch, doch... Auch ohne Substanzen ein sehr 'lustiger' Film.

Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ungeprüft

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