Eigene Forschungen

Freitag, 31. Mai 2013

DER GROSSE GATSBY


THE GREAT GATSBY
USA, Australien 2013

Regie:
Baz Luhrmann

Darsteller:
Leonardo DiCaprio,
Tobey Maguire,
Carey Mulligan,
Joel Edgerton,
Isla Fisher,
Jason Clarke,
Amitabh Bachchan,
Steve Bisley



„Gatsby glaubte an das grüne Licht.“


Inhalt:

New York, 20er Jahre: Börsenmakler Nick Carraway [Tobey Maguire] ist Opfer schwerer Depression und verbringt seine Tage unter ärztlicher Aufsicht in einem Sanatorium. Als er immer wieder den Namen „Gatsby“ erwähnt, wird sein Therapeut neugierig und beginnt, Nick über Gatsby auszufragen. Nun beginnt Nick zu erzählen, wie er als junger Mann nach Long Island zog und so zufälligerweise Nachbar des geheimnisvollen Millionärs Jay Gatsby wurde, den zwar niemand wirklich persönlich zu kennen scheint, über den jedoch abenteuerliche Geschichten kursieren. Jedes Wochenende veranstaltet er in seiner Luxusvilla rauschende Partys, zu denen alle eingeladen sind. Zwar kennt niemand den Grund für dieses Angebot, aber dennoch treffen sich regelmäßig alle Gesellschaftsschichten bei Gatsby, um ausgelassen und exzessiv zu feiern. Fasziniert von dieser für ihn fremden Welt, ist Nick schließlich einer der wenigen, die Gatsby persönlich kennenlernen dürfen. Viele Geheimnisse umgeben den jungen Mann, doch nach und nach erfährt Nick, dass Gatsby auf der Suche nach der Liebe seines Lebens ist, die er vor vielen Jahren verlassen musste, da sie aus reichem Hause und er selbst bettelarm war. Der Name dieser Frau ist Daisy Buchanan – Nicks Cousine.

Kritik:

DER GROSSE GATSBY, das ist Weltliteratur™ und gilt als solche als unverfilmbar™. Das hat ein paar Leute jedoch nicht davon abgehalten, es dennoch immer mal wieder zu tun. Der Australier Baz Luhrmann war somit bereits der Vierte im Bunde, der versuchte, Publikum und Presse von seiner Leinwand-Version der gesellschaftskritischen Prosa F. Scott Fitzgeralds zu überzeugen. Fast selbstverständlich, dass Luhrmann dabei einmal mehr seinem Steckenpferd frönte, auf das er seit seiner Version von ROMEO UND JULIA nicht mehr verzichten wollte. So geriet auch sein GATSBY zur visuellen Reizüberflutung, deren Bildgewalt in manchen Momenten selbst die große Leinwand zu sprengen scheint, zumal Luhrmann sich die Möglichkeiten der 3D-Technik zu Nutze machte, um eine größtmögliche Einbindung des Publikums zu gewährleisten. Dabei beginnt DER GROSSE GATSBY, in Verneigung vor dem klassischen Kino Hollywoods, sogar zunächst in schwarz-weiß, bevor sich die Leinwand, hat das Bild erst einmal Farbe bekommen, regelrecht zu öffnen scheint und den Betrachter Hals über Kopf hineinsaugt in die grellbunte, überschäumende Welt der wilden 20er Jahre.

Der Boden der Tatsachen wird dabei freilich verlassen. Luhrmann bietet keine dokumentarische Geschichtsstunde, die Anrecht auf Authentizität erheben dürfte. Luhrmann bietet einen haltlosen Sturz in eine märchenhaft überzogene, romantisch verklärte Imitation vergangener Zeiten, bis zum Exzess hochstilisiert und vorm Zuschauerauge schimmernd wie eine LSD-geschwängerte Seifenblase. Eine große Überraschung ist das nicht: Bereits Luhrmanns vorherige Regiearbeit AUSTRALIA, ein geradezu schwindelerregend schwülstiger Schmachtfetzen, huldigte dermaßen ungehemmt der szenischen Übertreibung, dass er fast wie seine eigene Parodie wirkte. Dennoch ist es bemerkenswert, könnte die Diskrepanz zur vorhergehenden Kinoverfilmung (1974 von Regisseur Jack Clayton verwirklicht) doch größer kaum sein. Wo Clayton die Ereignisse eher spröde und zurückhaltend inszenierte, um sie erst im Finale zu verdichten (und das durchaus wirkungsvoll), geht Luhrmann den umgekehrten Weg: Seine Version verschießt sein (allerdings fast ausschließlich visuelles) Pulver bereits in der ersten Hälfte, bevor er sich auffällig zurücknimmt, um sich dann erst dem Innenleben seiner Figuren zu widmen.

Das allerdings hat schon bei Luhrmanns MOULIN ROUGE nicht wirklich gut funktioniert und funktioniert auch hier nicht so richtig: Die Liebe zwischen Jay Gatsby und Daisy Buchanan bleibt reine Behauptung, wirkt zu keinem Zeitpunkt wahrhaftig oder gar tangierend, im schlimmsten Falle sogar eher verärgernd. Wenn die opulente Pracht der Bilder plötzlich seichten Slapstick-Nummern weichen muss, in welchen sich das turtelnde Liebespaar vor Verlegenheit gegenseitig zum Kasper macht, dann hat das doch arge Ähnlichkeit mit einer kalten Dusche. Dass DER GROSSE GATBY dennoch bis zum Schluss zu fesseln vermag, liegt, neben der ungebrochen optischen Attraktivität, vor allem an seiner psychologischen Komponente, die mit der visuellen Wucht Hand in Hand geht: Wirkt die ausschweifende Welt des Lasters mit all seinen Reizen und seiner lockeren Moral zunächst wie ein nie enden wollender, die Sinne benebelnder Traum, offenbart sich, ist die Party erst vorbei, unter der glänzenden Oberfläche eine erschreckende Leere, während ihre vergnügungssüchtigen Protagonisten an ihrer Einsamkeit langsam, aber sicher zu Grunde gehen.

Als Identifikationsfigur für das Publikum dient dabei der von Tobey Maguire gespielte Börsenmakler Nick Carraway, der im Rahmen einer ärztlichen Therapie die Geschichte erzählt und die Ereignisse zusammenhält. Ebenso wie der Betrachter stolpert auch er überwältigt vom Pomp und Getöse mit großen Augen durch diese für ihn neue Welt und erliegt der Faszination um die Identität Gatsbys, der auch für ihn lange Zeit ein Rätsel bleibt. Für die Rolle des jungen, ebenso charmanten wie geheimnisvollen Millionärs Gatsby drängte sich Leonardo DiCaprio freilich geradezu auf – da schadet es nicht mal großartig, dass der vielbeschäftigte Mime hier ein wenig auf Autopilot zu funktionieren scheint. Er ist, genauso wie seinerzeit Robert Redford, die Idealbesetzung und erweckt die Figur glaubwürdig zum Leben. Das Objekt seiner Begierde verkörpert Cary Mulligan, die jedoch von Regie und Drehbuch arg im Stich gelassen wird. „Das beste, was einer Frau in dieser Welt sein kann, ist ein hübsches, kleines Dummchen“, sagt sie als Daisy Buchanan in einer Szene und liefert dabei eine verblüffend genaue Beschreibung ihrer Rolle. Warum gerade sie zur großen Liebe Gatsbys wurde, ist wenig nachvollziehbar, unterscheidet sie sich doch kaum von den restlichen Püppchen, die sie umgeben. Dass sich der Rest der Belegschaft gefährlich nah am Rand der Karikatur bewegt, ist angesichts der generellen Wirklichkeitsferne von DER GROSSE GATSBY gar nicht mal so tragisch. Fatal wird es hingegen, wenn eben diese Figuren Gefühle beim Publikum auslösen sollen. Vor allem gilt das für Jays Kontrahenten Tom Buchanan, von Joel Edgerton auf fast schon absurd überspannte Weise als rassistischer Drecksack verkörpert und moralisch dermaßen verkommen, dass Daisys Liebesbekenntnis ihm gegenüber kaum nachvollziehbar erscheint.

Macht nichts! DER GROSSE GATSBY berührt auf andere Weise: Bis zum Bersten gefüllt mit symbolträchtigen Bildern, entführt er sein Publikum in eine alternative Historie und erschafft ein faszinierendes Kaleidoskop, in welchem Bild und Sound eine atemberaubend perfekte Symbiose eingehen. Selbst die 3D-Technik wirkt hier nicht prahlerisch und auf simple Attraktion schielend eingesetzt, sondern ist gewissermaßen Teil der Handlung: Gatsby lebt in einer anderen Dimension, einem fremden Universum, dessen überbordenden optischen Reize quasi zum Leben erwachen. Dass die 20er Jahre dieser Welt nicht nur mit klassischen Klängen, sondern auch mit moderner Popkultur beschallt werden, kann dabei durchaus als Kommentar verstanden werden: Die Zeit des oberflächlichen Rausches ist noch lang nicht vorbei. 

Laufzeit: 142 Min. / Freigabe: ab 12

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