Eigene Forschungen

Sonntag, 19. Juli 2015

BROTHERHOOD OF BLADES


XIU CHUN DAO
China 2014

Regie:
Lu Yang

Darsteller:
Chang Chen,
Wang Qian-Yuan,
Liu Shishi,
Li Dong-Xue,
Zhu Dan,
Nie Yuan,
Zhou Yiwei,
Chin Shih-Chieh



Inhalt:

Peking, 1627: Kaiser Chongzhen [Ye Xiang Ming] entlässt den einflussreichen Eunuchen Wèi Zhōngxián [Chin Shih-Chieh], Oberbefehlshaber der Geheimpolizei, aus seinem Dienst. Dieser will die Schmach nicht hinnehmen und beginnt im Untergrund gegen den Kaiser zu intrigieren. Chongzhen fürchtet um seine Macht und befiehlt die Tötung des Mannes. Die Mission geht an den Attentäter Shen Lian [Chang Chen] und seine beiden ‚Schwertbrüder‘ Lu Jianxing [Wang Qian-Yuan] und Jin Yichan [Li Dong-Xue]. Zwar kann Shen den Mann erfolgreich stellen, doch dieser bietet ihm 400 Tael Gold, falls er ihn verschone – für den in Geldsorgen sich befindenden Hofdiener ein verlockendes Angebot. Die verbrannte Leiche, die Shen schließlich seinem Auftraggeber präsentiert, stammt dann auch nicht von Wèi. Der Betrug fliegt auf, als der vermeintlich Tote den neuen Anführer der Geheimpolizei, Zhao Jingzhong [Nie Yuan], aufsucht und ihn anweist, Shen zu töten, da dieser nun der einzige ist, der um sein Überleben weiß. Zhao lockt Shen und seine Gefährten in eine Falle und es kommt zu einem gewaltigen Massaker, aus dem die drei Männer nur mit Müh und Not mit heiler Haut davonkommen. Nun befinden sich Shen, Lu und Jin plötzlich zwischen allen Fronten und müssen nicht nur um ihr Überleben kämpfen, sondern auch um ihre Freundschaft.

Kritik:

Im Chinesischen bedeutet die Silbe 
 () ‚Kampf‘ (so in etwa) und die Silbe Xiá () ‚Ritter‘ (so in etwa). Setzt man beides zusammen, erhält man die Bezeichnung für eines der beliebtesten asiatischen Genres überhaupt: Der Wǔxiá, der uralte, fest in der chinesischen Kultur verankerte Mythos vom fahrenden Ritter auf Heldenreise, erlebt in regelmäßigen Abständen seine cineastische Reinkarnation und präsentiert seinem Publikum immer wieder wackere, von eherner Redlichkeit beseelte Schwertkämpfer, die Schlachten an historischen Schauplätzen schlagen und für die gerechte Sache ihr eigenes Leben gäben – und dies häufig auch tun. Da ihre Feinde seit jeher nicht selten auch in der verbeamteten oder herrschenden Obrigkeit zu finden waren, galt die Wǔxiá-Dichtung in ihrem Heimatland Anfang der 30er Jahre als staatsfeindlich und war daher über 20 Jahre lang verboten (was freilich tief blicken lässt!). Nach Aufhebung des Verbots war es vor allem das Studio der 'Shaw Brothers', das dem Genre ab den 60er Jahren mit blutgetränkten Epen wie DAS GOLDENE SCHWERT DES KÖNIGSTIGERS zu großer Popularität verhalf, während Regisseur King Hu das etwas intellektuellere Klientel bediente: Sein EIN HAUCH VON ZEN wurde auf den Filmfestspielen in Cannes preisgekrönt und verschaffte der Gattung eine gehörige Portion internationale Aufmerksamkeit. 

BROTHERHOOD OF BLADES ist von seinen Zutaten her geradezu ein Musterbeispiel für den Wǔxiá und hätte 40 Jahre früher mit ziemlicher Sicherheit als weitere Shaw-Brothers-Produktion das Licht der Leinwand erblickt: Drei Krieger, Brüder nicht nur an der Waffe, sondern auch im Geiste, werden Opfer von Verrat und Intrige, verbünden sich gegen das korrupte Ränkespiel ihrer Machthaber und nutzen ihre scheinbar übermenschlichen kämpferischen Fähigkeiten, um Recht und Ordnung wiederherzustellen – alles vor dem geschichtlichen Hintergrund der dahinsiechenden Ming-Dynastie und vorangetrieben von Emotion, Konflikt und Schicksal. Im Gegensatz zu manch anderem Beitrag jedoch verzichtete man in diesem Falle darauf, die Charaktere als tugendhafte Instanzen zu präsentieren, und zeichnete stattdessen das ambivalente Bild dreier Männer, die sich aus unterschiedlichen Gründen in finanziellen Nöten befinden und dementsprechend verführbar und bisweilen willensschwach sind: Shen Lian [Chang Chen] ist der Konkubine Zhou Miaotong [Cecilia Liu] verfallen, die er freikaufen will, obwohl sie jemand anderen liebt, Lu Jianxing [Wang Qian-Yuan] besticht seinen Vorgesetzten Zhang Ying [Qiao Lei], um befördert zu werden, und Jin Yichuan [Li Dong-Xue] wird von seinem ehemaligen Freund Ding Xiu [Zhou Yiwei] erpresst, der damit droht, ihre gemeinsame kriminelle Vergangenheit publik zu machen. 

Eine moralische Verfehlung Shen Lians setzt die nachfolgende Gewaltspirale schließlich überhaupt erst in Gang – auch wenn seine Motive zumindest zum Teil lauterer Natur waren. Das angewandte Ursache-Wirkungs-Prinzip funktioniert dabei zu Beginn ganz hervorragend, die aus Shens Tat resultierenden Ereignisse wirken logisch konstruiert und können in ausreichendem Maße Interesse wecken. Nach einer Weile jedoch wird die bis dahin recht geradlinige Erzählweise ein wenig verwässert, betreten doch immer neue Personen die Bildfläche, von denen nicht jede auch wirklich erforderlich erscheint – ganz zu schweigen davon, dass es zudem auch reichlich abstrus wird, ist doch plötzlich jeder irgendwie mit jedem verwandt. Das wirkt nicht nur stellenweise etwas weit hergeholt, sondern führt bisweilen auch zur Konfusion. Dass sich Jin Yichan so nebenbei auch noch in Zhang Yan [Marina Ye], die Tochter eines Arztes, verlieben darf, scheint zudem auch ohne jeden Belang, wird die Figur doch lediglich auf ihr schnuckeliges Äußeres reduziert und darf ansonsten weder Profil noch großartig Leinwand-Präsenz besitzen. So gelingt es BROTHERHOOD OF BLADES nicht, die anfängliche Dichte bis zum Schluss zu halten. Zwar kommt es auch fortlaufend immer mal wieder zu Spannungsmomenten, doch ein dramaturgischer Gesamtbogen bleibt letztendlich aus. Dazu passt dann auch, dass kurz vor Schluss aus heiterem Himmel noch die Mongolen als altbewährtes Feindbild aus der Mottenkiste geholt werden, um die Geschichte zumindest einigermaßen sinnvoll zu Ende bringen zu können. 

Mag es inhaltlich auch stellenweise etwas hapern, zumindest im Action-Segment gibt sich BROTHERHOOD OF BLADES keine Blöße. Die Kampfszenen, erneut mit viel Drahtseilunterstützung realisiert, sind erstklassig durchchoreographiert und sorgen für eine Flut intensiver Eindrücke und furioser Bilder. Vor allem das mörderische Massaker im Hofe Yan Peiweis [Hu Xiaoguang] nagelt einen in den Sitz. Regisseur Lu Yang, Kameramann Han Qiming und die Editors Yiran Tu und Li Yun Zhu machen keine Gefangenen und entfachen ein perfekt getimtes und konsequent durchgezogenes Inferno aus Regen, Feuer und Blut. Ohnehin ist die Cinematographie durchgehend exzellent und kreiert ikonische Momentaufnahmen, die sich ins Gedächtnis brennen. Das ist schon allein deswegen bemerkenswert, da es für die gesamte Crew quasi das erste Projekt dieser Größenordnung war. Von Unerfahrenheit oder Ähnlichem ist jedoch nicht das Geringste zu spüren: BROTHERHOOD OF BLADES ist absolut versiert in Szene gesetztes und kompetent gefertigtes Blockbuster-Entertainment ohne formale Schwächen. Als Ausführender Produzent agiert im Hintergrund noch Terence Chang, dessen Name vor allem aufgrund seiner Kollaborationen mit John Woo [→ IM KÖRPER DES FEINDES] ein Begriff ist.

Auch bei der Besetzung orientierte man sich eher an Unbekannterem, wenngleich man mit Chang Chen in der Hauptrolle immerhin ein echtes Schwergewicht bieten konnte: Der 1976 geborene Schauspieler war im Jahre 2000 in Ang Lee prächtigem Wǔxiá TIGER & DRAGON zu sehen, der zu einem internationalen Erfolg wurde, und konnte auch in den Folgejahren mit Auftritten in Historienfilmen wie RED CLIFF oder THE GRANDMASTER weiterhin von sich reden machen. Seine Mitstreiter Wang Qian-Yuan [→ THE CROSSING] und Li Dong-Xue [→ GEN-Y COPS] mögen etwas weniger bekannte Namen tragen, stehen ihm schauspielerisch jedoch in nichts nach. Besonderes Augenmerk verdient noch Chin Shih-Chieh [→ REIGN OF ASSASSINS] in der Rolle des intriganten Eunuchen Wèi Zhōngxián, der diesen als herrlich durchtriebenen alten Mann anlegt und dabei auf gewisse Weise an David Carradine in KILL BILL erinnert. Wèi Zhōngxián ist – neben Kaiser Chongzhen – die einzige Figur aus BROTHERHOOD OF BLADES, die historisch verbürgt ist und war der Überlieferung nach tatsächlich ein machthungriger Intrigant, der nach seiner Anstellung am Hofe begann, sich immer mehr Einfluss zu verschaffen, sich rücksichtslos bereicherte, Gegner beseitigen ließ und mit Hilfe der ihm unterstellten Geheimpolizei bald die gesamte Verwaltung Chinas kontrollierte. Nach dem Tode des Kaisers Tianqi wurde Wèi von dessen Nachfolger Chongzhen entmachtet, worauf dieser sich das Leben genommen haben soll. Das von Wèi hinterlassene wirtschaftliche und politische Chaos soll nicht unschuldig daran gewesen sein, dass die Ming-Dynastie kurz darauf unterging.

Sich mit der Frage beschäftigend, was wohl gewesen wäre, hätte Wèi Zhōngxián seinen Tod damals lediglich vorgetäuscht, erspinnt BROTHERHOOD OF BLADES ein hypothetisches und freilich völlig wirklichkeitsfernes Konstrukt, das Fakten und Fiktionen, historische Personen und erdachte nebeneinanderstellt, um daraus ein klassisches Kung-Fu-Epos zu weben, das trotz durchaus vorhandener Defizite in der ersten Liga spielt. Schwächen in der Dramaturgie werden ausgeglichen durch rasant komponierte, sich der Schwerkraft verweigernde Schwertkampf-Duelle und die imposanten Aufnahmen hinterlassen mächtig Eindruck. Lu Yang erschuf mit hohem Aufwand an Kostüm und Kulisse eine Welt aus Korruption und Chaos, Gewalt und Gier, Missgunst und Menschenverachtung, deren Protagonisten unaufhaltsam ihrem tragischen Ende entgegensteuern. Die Speerspitze wird zwar nicht erobert, aber Lus gekonnt und nicht ohne Anspruch arrangierte Action-Oper kann sich durchaus sehen lassen und bietet 
Wǔxiá- und Kampfkunst-Freunden eine vorzügliche zubereitete Zwischenmahlzeit.

Laufzeit: 106 Min. / Freigabe: ab 16

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