Eigene Forschungen

Donnerstag, 1. November 2012

SKYFALL


SKYFALL
GB, USA 2012

Regie:
Sam Mendes

Darsteller:
Daniel Craig,
Javier Bardem,
Naomie Harris,
Judi Dench,
Ralph Fiennes,
Bérénice Marlohe,
Albert Finney,
Ben Whishaw



Inhalt:

James Bond (Daniel Craig) im Einsatz in der Türkei. Gemeinsam mit seiner jungen Kollegin Eve (Naomie Harris), soll er dem Profikiller Patrice (Ola Rapace) einen Datenträger abjagen, auf dem die Identitäten diverser Agenten gespeichert sind und der in den falschen Händen eine große Gefahr für die Geheimdienste der westlichen Welt darstellt. Es kommt zu einer wilden Verfolgungsjagd mit Patrice, die auf dem Dach eines fahrenden Zuges endet. Eve hat von einem Berg aus Bond und Patrice im Visier ihres Scharfschützengewehrs, kann jedoch nicht feuern, weil die Gefahr, Bond zu treffen, zu groß ist. Doch M befiehlt ihr, das Risiko einzugehen. Eve schießt... und trifft Bond, der vom Zug in einen Fluss stürzt. Der MI6 hält Bond für tot, aber der Agent hat überlebt und ist untergetaucht. Eigentlich hat er genug vom Agentendasein. Erst, als er aus den Nachrichten erfährt, dass es einen Anschlag auf das Hauptquartier des MI6 gegeben hat, meldet sich 007 wieder zum Dienst. Er wird erneut auf Patrice angesetzt, soll dessen Auftraggeber aufspüren und nach wie vor die Liste mit den Agenten zurückbringen. In Shanghai trifft Bond erneut auf Patrice, der hier einen weiteren Mordauftrag ausführt. Bond stellt den Killer, aber bevor der ihm verraten kann, für wen er arbeitet, stürzt er von einem Hochhaus in die Tiefe. Ein Jeton aus einem Spielcasino führt Bond nach Macao, wo Patrice das Honorar für den Anschlag in Shanghai erhalten sollte. Dort lernt der Brite die schöne Sévérine (Bérénice Marlohe) kennen, die er schon bei dem Anschlag in Shanghai gesehen hat und die offensichtlich die Mätresse des Drahtziehers hinter der ganzen Sache ist. Die junge Frau gibt sich oberflächlich kühl, ist aber innerlich sichtlich von Angst erfüllt, und es gelingt Bond, sie davon zu überzeugen, mit ihm zusammenzuarbeiten. So trifft Bond schließlich auf seinen Gegenspieler: Der Ex-MI6-Agent Silva (Javier Bardem) fühlt sich von M hintergangen und sinnt auf Rache ...

Kritik:

Ich hasse solche Momente. Man sitzt im Kino und schaut einen Film, auf den man sich monatelang gefreut hat, in den man die größten Erwartungen gesetzt hat. Und dann muss man feststellen, dass der Film nicht nur diese Erwartungen nicht erfüllen kann, sondern sich sogar als echter Stinker entpuppt.

Vier Jahre mussten wir nach QUANTUM OF SOLACE auf den 23. Auftritt des berühmtesten Geheimagenten der Welt warten. Nachdem das Studio MGM in die Insolvenz gegangen war, wurden diverse Projekte vorerst auf Eis gelegt. Als die Zukunft des Studios dann endlich in trockenen Tüchern war, konnte auch die Produktion von SKYFALL endlich anlaufen. Doch schon im Vorfeld sorgte bei vielen Fans die Ankündigung für Ernüchterung, dass man nicht die mit CASINO ROYALE und QUANTUM begonnene Geschichte fortführen, sondern Bond erst einmal andere Abenteuer bestehen lassen werde. Aber das ist in der Bond-Historie beileibe nicht das erste Mal. Auch die ersten beiden Bond-Filme DR. NO und FROM RUSSIA WITH LOVE hingen mit dem Story-Arc um die Geheimorganisation S.P.E.C.T.R.E. handlungsmäßig bekanntlich lose zusammen, bevor es dann im dritten Film, GOLDFINGER, zunächst um ein völlig anderes Thema ging und Blofeld und Co. erst wieder im vierten Film, THUNDERBALL, von sich reden machten.

Nichtsdestotrotz sahen die Vorbedingungen für Bond Nr. 23 sehr gut aus. Als Regisseur wurde Sam Mendes verpflichtet, der mit der grandiosen Tragikomödie AMERICAN BEAUTY und der gelungenen Graphic-Novel-Adaption ROAD TO PERDITION zu einem der Top-Regisseure in Hollywood aufgestiegen war. Den Bösewicht besetzte man dieses Mal mit dem Spanier Javier Bardem, was von vielen als DER Besetzungscoup schlechthin gewertet wurde. In der Tat ist Bardem ein vielseitiger, hochtalentierter Mime, der in Filmen wie MAR ADENTRO (für den er 2005 den Oscar als bester Hauptdarsteller erhielt) und NO COUNTRY FOR OLD MEN (der ihm 2008 den zweiten Oscar, diesmal als bester Nebendarsteller, einbrachte) erstklassige Performances abgeliefert hat. Gestandene Schauspieler wie Ralph Fiennes, Naomie Harris und Albert Finney vervollständigten den Cast und auch die Neuentdeckung Bérénice Marlohe stieß auf ein positives Echo.

Das Resultat kann allerdings kaum überzeugen und schafft es gegen Ende sogar beinahe, den bisher schlechtesten Bond-Film, DIE ANOTHER DAY, noch zu unterbieten. Aber der Reihe nach.

Zunächst einmal eine Warnung: Der nachfolgende Text enthält diverse Spoiler. Wer den Film also noch nicht gesehen hat und sich die Überraschung nicht verderben lassen will, sollte nicht weiterlesen!

SKYFALL beginnt mit einer vielversprechenden Teaser-Sequenz. Die Verfolgungsjagd zwischen Bond, Eve und Patrice ist versiert in Szene gesetzt und dem Bond-Franchise entsprechend aufwendig gestaltet. Hier wird geklotzt und nicht gekleckert. Einige Over-the-Top-Momente (Bond brettert z. B. mit eine Motorrad mit voller Absicht in ein Brückengeländer, um sich mittels der durch den Aufprall entstehenden Schleuderkraft über den Lenker auf das Dach des unter der Brücke hindurchfahrenden Zuges katapultieren zu lassen) stören hier nicht großartig. Vielmehr verspricht der Teaser genau das, was man erwartet: Großangelegtes Adrenalinkino vom Feinsten. Aber dieses Versprechen löst der Film nach der gelungenen Titelsequenz (mit einem wirklich sehr guten, von Adele gesungenen Titelsong) nicht ein. Statt dessen geht es in der ersten Hälfte des Films erstaunlich unspektakulär zu. Bis auf zwei Schlägereien, in denen sich 007 einmal mit Patrice und einmal mit Sévérines Aufpassern auseinandersetzen muss, gibt es hier auch keinerlei weitere Actionszene. Das wäre im Grunde nicht so schlimm, CASINO ROYALE war ja auch schon untypisch actionarm für einen Bond-Film und lieferte trotzdem Spannungskino auf höchstem Niveau. Aber die Story von SKYFALL entwickelt sich einfach zu uninteressant, als dass sie einen groß mitreißen würde.

Auch die Locations werden nicht ausreichend genutzt. Von Shanghai und Macao gibt es jeweils einen Establishing-Shot und das war es dann mit Schauwerten von Bonds Reise um den Globus. Den Rest hätte man auch sonstwo auf der Welt drehen können. Die verlassene Insel, auf der Bösewicht Silva sein Hauptquartier eingerichtet hat, gibt es übrigens wirklich. Es handelt sich dabei um die Insel Hashima, die allerdings nicht in der Nähe Macaos, sondern in der Nähe von Japan liegt und einst ein blühendes Kohleabbaugebiet war. Mit knapp 83500 Einwohnern pro Quadratkilometer (gezählt im Jahre 1959) war sie eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde. 1974 wurde der Bergbaubetrieb auf der Insel allerdings von heute auf morgen eingestellt und innerhalb kürzester Zeit verließen sämtliche Bewohner das Eiland, ließen aber diverse Habseligkeiten zurück. Zurück blieb eine Geisterstadt.

Aber zurück zu SKYFALL: Erst mit der Einführung der Figur Sévérine kommt etwas Bewegung in den Plot. Sie wird von Silva wie eine Sklavin gehalten. Sie ist sein Spielzeug, mit dem er tun und lassen kann, was er will. Dementsprechend einfach ist es für Bond, sie auf seine Seite zu ziehen, indem er ihr verspricht, Silva auszuschalten. Doch kaum glaubt man die junge Frau als aktuelles Bond-Girl etabliert, scheidet Sévérine ebenso unerwartet wieder dahin. Von Silva kaltblütig erschossen. Damit wird SKYFALL zu einem Bond-Film ohne Bond-Girl, zumal das erotische Geplänkel zwischen 007 und seiner Kollegin Eve von Beginn an eher verspielt oberflächlich angelegt ist und Eve somit die Bond-Girl-Rolle nicht erfüllt. Wenn am Ende enthüllt wird, dass Eve mit Nachnamen Moneypenny heißt, wird auch klar warum. Dem Film hilft das allerdings auch nicht weiter. Mit dem Erscheinen Silvas auf der Bildfläche beginnt der stetig schneller werdende Absturz des Films. Erntete Javier Bardem als Bösewicht wie gesagt einiges an Vorschusslorbeeren, ist sein Part leider einer der größten Schwachpunkte des Films. Schon sein Äußeres wirkt reichlich lachhaft. Mit wasserstoffblonder Mähne und irrem Blick präsentiert sich Silva als psychopatischer Rächer mit homosexuellen Anwandlungen. Dass dieser ständig "Bing"-sagende Wirrkopf einmal einer der besten MI6-Agenten gewesen sein soll, kann man als Zuschauer einfach nicht ernst nehmen. Da war der von Sean Bean verkörperte Alec Trevelyan in GOLDENEYE, dessen Motivation zum Teil ja ebenfalls Rache für das Im-Stich-gelassen-werden im Einsatz war, wesentlich glaubwürdiger. Silva ist schlicht und ergreifend eine Lachnummer, gegenüber dem selbst die aktuell durch das Internet geisternde Nachricht, man wolle in einem der nächsten Filme der Reihe gegebenenfalls Blofeld wiederbeleben, plötzlich gar nicht mehr als soooo blöde Idee erscheint.

Zudem ist sein Plan einfach nur unnötig kompliziert. Dass der Racheengel das MI6-Hauptquartier in die Luft jagt und damit droht, hunderte von Agenten zu lebenden Zielscheiben zu machen, indem er ihre Identitäten auf Youtube postet, macht noch Sinn, denn er will nicht nur M, die er als persönlich verantwortlich für sein Schicksal sieht, sondern auch gleich den ganzen MI6 ausschalten. Aber warum er Bond erst nach Macao lockt und sich absichtlich verhaften lässt, nur um dann wie ein ganz gewöhnlicher Amokläufer mit zwei seiner Schergen in einen Sitzungssaal zu stürmen und um sich zu ballern, bleibt ein Rätsel. Immerhin ist die Schießerei im Sitzungssaal die erste ausschweifendere Actionszene seit der Eröffnungssequenz. Auf seiner anschließenden Flucht durch das U-Bahnsystem lässt Silva dann, um seinen Verfolger 007 aufzuhalten, noch schnell mittels Sprengung einen Zug entgleisen. Gott sei Dank sitzt da außer dem Zugführer keiner drin. Dass Silva die persönliche Vendetta gegen Bond und M viel wichtiger ist als der Untergang des MI6, zeigt sich gleich darauf, als der Bösewicht einer von Q (Ben Whishaw) gelegten Spur zu Bonds einsam gelegenen Elternhaus in den schottischen Highlands folgt, wo es zum erbitterten Endkampf zwischen ihm, Bond und M kommt.

Hier wird dann noch schnell ein weiterer Comic-Relief in Gestalt des Hausverwalters Kincaid (Albert Finney) eingeführt ("Don't mess with a Scotsman!") und man macht sich daran, das alte Gemäuer zu verbarrikadieren und mit allerlei Fallen auszustatten. Eine Szene, in der eigentlich nur das Titelthema vom A-TEAM fehlt, um sie völlig ins Absurde kippen zu lassen. Es folgt der schlappste Showdown, den das Bond-Universum je gesehen hat. Ein bisschen Geballer hier, ein paar kleinere Explosionen von gestellten Fallen da, Bond jagt sein Elternhaus komplett in die Luft, man rennt ein paar hundert Meter durchs Moor und in einer Kirche kriegt Silva dann, kurz bevor er sich und M mit einer an die Schläfe gehaltenen Wumme die Lebenslichter auspusten kann, von Bond ein Messer in den Rücken.

Jetzt werdet ihr euch fragen, warum ich weiter oben schrieb, dass SKYFALL fast noch DIE ANOTHER DAY unterbietet. Hier ist der Grund: DIE ANOTHER DAY ist zwar Schwachsinn vor dem Herrn, hat einen an den Haaren herbeigezogenen, überladenden Plot, Spezialeffekte aus der untersten Schublade und Gadgets, die in einen Superhelden-Comic gepasst hätten, aber nicht in einen Bond-Film. Aber wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen und das Ganze als Parodie seiner selbst zu betrachten, wird man wenigstens zwei Stunden lang kurzweilig unterhalten. SKYFALL dagegen ist über drei Viertel seiner über 140 Minuten Laufzeit schlicht langweilig. Zudem hatte DIE ANOTHER DAY überhaupt nicht den Anspruch, ernst genommen zu werden, sondern verstand sich als simples Hirn-aus-und-durch-Popcorn-Kino. SKYFALL dagegen will ein ernster Film sein, der aufgrund der weitgehend fehlenden Action durch Figuren und Handlung getragen wird. CASINO ROYALE hat das hinbekommen. SKYFALL scheitert daran kläglich.

Immerhin lässt die Schlussszene dann doch noch darauf hoffen, dass im nächsten Bond wieder alles besser wird. Dass man Judi Denchs M sterben lässt ist nur konsequent. Sie hat ihren Dienst siebzehn Jahre lang treu verrichtet und ihre Schuldigkeit getan. Schon am Filmanfang dachte ich bei ihrem Anblick: "Mann, ist die alt geworden." Ralph Fiennes ist eine passende Besetzung für den neuen M und hat die für den Charakter typische Mischung aus bürokratischer Verschrobenheit im Alltag und zielstrebigem Aktionismus in Krisensituationen gut etabliert. Naomie Harris als neue Miss Moneypenny wird sich ebenfalls gut in der Rolle machen. Nur mit Ben Whishaw als Q bin ich nicht wirklich warm geworden. Bonds erste Reaktion ("You must be joking") war zugegebenermaßen auch die meinige. Der Mann ist mir ein bisschen zu nerdy, um ihn sympathisch zu finden.

Naja. Bond will return, wie es auch in diesem Film wieder so schön im Abspann heißt. In SKYFALL ist der Titel quasi Programm. Bond ist tief gefallen. Hoffen wir, dass es das nächste Mal wieder aufwärts geht.

Laufzeit: 143 Min. / Freigabe: ab 12

PS: Beachtet zu diesem Film auch die Kritik von DJANGOdzilla.

4 Kommentare:

  1. Offensichtlich kein Bond Fan, oder?

    Schwacher Kommentar zu einem sehr guten Bond

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  2. Ich wüsste nicht, wo ich widersprechen sollte. Sehr gute Kritik zu einem absoluten Scheißfilm. Und endlich jemand, der auch erkannt hat, dass im Showdown nur noch die A-Team-Titelmelodie gefehlt hat.

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  3. Kann mich der ausführlichen Filmkritik nur anschliessen! hab schon gedacht ich bin der einzigste der das so sieht.

    Hab schon gedacht ich fall ins Koma, so ein langweiliger Murks.
    Auch hatte ich den Eindruck das Daniel Craig irgendwie stark gealtert und abgehalftert rüberkam und irgenwie keinen richtigen Bock mehr auf die Bond Rolle hatte.

    Im Gegensatz zu Casino Royale, einen meiner bisherigen Lieblings-Bondfilmen !

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  4. Das war eine ausführliche Kritik und als persönliche Meinung natürlich akzeptabel. Meine ist es jedoch nicht. Für mich war es ein toller Film und insgesamt passen alle Craig-007 Filme bestens zusammen, auch wenn ich sagen muss das "Ein Quantum Trost" ( für mich ) arg geschwächelt hat und innerhalb des Craig Universums eher der Schwächste war. Aber alle zusammen ergeben ein plausibles Bild, insofern man das von einem 007 Film überhaupt erwarten kann.

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