Eigene Forschungen

Samstag, 28. Oktober 2023

DAS MEDAILLON


THE MEDALLION
USA, Hongkong 2003

Regie:
Gordon Chan

Darsteller:
Jackie Chan,
Lee Evans,
Claire Forlani,
Christy Chung,
Julian Sands,
John Rhys-Davies,
Anthony Wong,
Scott Adkins


Inhalt:

Der „Verbrecher“ (mehr erfährt man über ihn tatsächlich nicht) Snakehead [Julian Sands] jagt einem uralten Geheimnis hinterher, einem magischen Medaillon, das übermenschliche Macht verleiht. Der Hüter dieses Artefakts ist ein kleiner Junge, der „Auserwählte“ [Alex Bao], welchen er kurzerhand entführen lässt. Allerdings klebt ihm Interpol samt Hong Kong Police am Hacken. Zwar kann deren Mitarbeiter Eddie Yang [Jackie Chan] das Kind befreien, doch bezahlt der Inspektor diese Rettungsaktion mit seinem Leben. Sein Glück, dass die Legenden wahr sind: Das Medaillon besitzt tatsächlich Zauberkräfte und holt ihn aus dem Totenreich zurück. Folglich unsterblich geworden versucht er nun, gemeinsam mit seinen Kollegen Watson [Lee Evans] und Nicole [Claire Forlani] Snakehead ein weiteres Mal aufzuhalten.

Kritik:

Mit der Hollywood-Karriere des chinesischen Super-Stars Jackie Chan hat es nicht geklappt. Zwar konnte die RUSH HOUR-Trilogie eine beträchtliche Anzahl an Leuten in Richtung Lichtspielhaus mobilisieren, doch präsentierte man Asiens Ikone hier in erster Linie als Anhängsel des amerikanischen Komikers Chris Tucker. Ohne ein derartiges Zugpferd blieb das Publikumsinteresse überwiegend aus. Nachdem TUXEDO 2002 zum Debakel wurde, sollte DAS MEDAILLON es wieder richten. Doch die halbgare Fantasy-Komödie erwies sich als weiterer Sargnagel und holte nur einen Bruchteil ihrer Entstehungskosten wieder rein. Selbst die Produzenten schienen nicht so wirklich überzeugt zu sein von ihrem Erzeugnis, wurde es doch nach Fertigstellung stark gekürzt und durch nachträglich erstellte Szenen und Synchronisationen inhaltlich überarbeitet. Ob diese Maßnahmen Auswirkungen auf das Einspielergebnis hatten, darüber kann nur spekuliert werden. Fest steht nur, dass nach dieser Spezialbehandlung kaum noch etwas einen nachvollziehbaren Sinn ergibt, fielen doch fast alle Erklärungen betreffend der Zusammenhänge der Schere zum Opfer.

Woher kommt das titelgebende Medaillon? Warum hat es Zauberkräfte? Warum besteht es aus zwei Teilen? Warum ist man unsterblich, nachdem es einen ins Leben zurückgeholt hat? Warum wird es von einem Kind gehütet? Warum befindet sich dieses Kind urplötzlich in der Obhut der weiblichen Hauptrolle? Warum funktioniert das Medaillon jedes Mal ein bisschen anders? Warum dauert es manchmal sehr lang, bis eine Person aus dem Jenseits zurückkehrt und manchmal nur wenige Sekunden? Warum steckt der Wiedergänger mal in voller Montur und mal nur im Adams-Kostüm? Fragen über Fragen! Nun ist es für ein gelungenes Unterhaltungsprogramm freilich nicht zwingend notwendig, dass jede Kleinigkeit akribisch erläutert wird. DAS MEDAILLON allerdings tut die ganze Zeit so, als wisse sein Publikum über die Begebenheiten längst Bescheid und verweigert sich vehement jeder zusätzlichen Erklärung, was auf Dauer ziemlich frustriert.

In beträchtlichem Maße betrifft das auch die Motivation des Schurken. Klar, er jagt das Medaillon, aber was er sich davon erhofft, wie er davon erfahren hat und nicht zuletzt, warum er als gestandener Gangster einfach so an übersinnlichen Hokuspokus glaubt (und zwar so felsenfest, dass er dafür alles riskiert und mehrere Menschen über die Klinge springen lässt), bleibt nebulös. Dass er zudem noch Boss einer ganzen Unterwelt-Organisation zu sein scheint, macht die Sache auch nicht verständlicher. Denn natürlich werden auch seine ganzen Helferleins nicht weiter vorgestellt und mischen halt ganz selbstverständlich mit. Die ursprüngliche Fassung, noch unter dem Titel HIGHBINDERS geplant, sollte dem Vernehmen nach fast 110 Minuten dauern und Bösewicht Snakehead als Kopf eines Menschenschmuggler-Rings porträtieren. Das Medaillon selbst spielte in dieser Version eine deutlich geringere Rolle und besaß die Macht, unbesiegbare Kreaturen, die Highbinders, zu erschaffen, von denen sich Snakehead eine Armee heranzüchten wollte. Zugegeben: Viel Sinn ergibt auch das nicht. Aber es geht zumindest mal über ein paar vage Andeutungen hinaus.

Was man dem MEDAILLON indes nicht vorwerfen kann, ist ein Mangel an Tempo. Das Entfernen jedweder Erklärungsmomente und Nebenhandlungsstränge hat zur Folge, dass hier wirklich ständig was los ist. Jackie Chan agiert dabei brauchbar agil und liefert bereits bei der einleitenden Verfolgungsjagd im (damals angesagten) Parcours-Stil ein paar anständig choreographierte Kampfeinlagen. Natürlich reicht das nicht mehr an frühere Glanzzeiten heran und es wurde deutlich häufiger getrickst, um ihn beweglicher erscheinen zu lassen als es tatsächlich noch der Fall war, aber das Alter fordert halt seinen Tribut. Die Idee der magisch herbeigeführten „Unsterblichkeit“ des Stars rührt natürlich auch in erster Linie daher, eine inhaltliche Entschuldigung dafür zu haben, den Kung-Fu-Athleten im späteren Verlauf sichtbar per Effekt unterstützen zu dürfen. Denn zur Halbzeit der Handlung wird die Hauptfigur ganz offiziell zum Superhelden, zum wiedererweckten Unsterblichen mit übernatürlichen Fähigkeiten. Inhaltlich wird daraus freilich fast gar nichts gemacht, haben diese neu erworbenen Kräfte doch kaum Einfluss auf das kommende Geschehen oder des Protagonistens Kondition. Der von Chan verkörperte Eddie Yang flog schließlich schon vor seiner Verwandlung als energiegeladener Lebend-Flummi durch die Landschaft, was die Unterschiede beider Stadien marginal erscheinen lässt.

Das Hauptproblem DAS MEDAILLONs ist jedoch weder diese undurchdachte Dramaturgie noch dessen elliptische Erzählweise. Es ist der verzweifelte Versuch, unbedingt lustig zu sein. Am deutlichsten schiefgegangen ist das bei der Verpflichtung des britischen Komikers Lee Evans [→ DAS FÜNFTE ELEMENT], der als Interpol-Agent fehlbesetzter kaum sein könnte. Evans agiert als hemmungslos alberner Hampelmann und treibt dem peinlich berührten Betrachter mit seinen ausufernden Kaspereien samt Massen an Grimassen regelrecht die Schamröte ins Gesicht. Dass seine Figur vom Skript auch noch ausnehmend inkompetent gezeichnet wurde, lässt ihn schnell zum Nerv-Faktor Nummer 1 mutieren. In der Realität dürfte solch eine Oberpfeife bei Interpol nicht einmal den Papierkorb leeren. Aber natürlich ist es unfair, den Schwarzen Peter dafür Evans in die Schuhe zu schieben. Es ist fraglos die Schuld der Autoren und deren zweifelhaftes Verständnis davon, was einen gelungenen Witz ausmacht. In einer Situation wird Evans Charakter aufgrund verbaler Zweideutigkeiten für homosexuell gehalten. Woraufhin er immer wieder beteuert, es nicht zu sein. Dabei lachen dann alle. Das ist der ganze Gag. Mehr kommt da nicht.

Kurz vorm Finale werden die Helden übrigens auch noch versehentlich angepinkelt – was dann endgültig zur Frage führt, ob die Drehbuchschreiber (tatsächlich brauchte man für diese lahme Kiste insgesamt 5 Leute) ihre Pubertät bereits hinter sich gelassen hatten. Zusammengehalten werden diese Segmente aus akzeptabler Action und fragwürdigem Humor durch reichlich hilflose Versuche, Dramaturgie und Charaktertiefe zu erzeugen. Anfangs wird ohne nachvollziehbare Grundlage ein halbgarer Konflikt zwischen Yang (Chan) und Watson (Evans) konstruiert, der allerdings zügig wieder zu den Akten wandert. Yang wurde dazu eine komplizierte Liebelei mit seiner Kollegin Nicole (gespielt von Claire Forlani [→ THE ROCK]) in die Erzählung gezaubert, die jeder Chemie, Plausibilität und Passion abtrünnig ist. Dazu gibt es eine merkwürdige Gemeinschafts-Koch- und Verköstigungs-Szene im Hause Watson, bei der sinnlos zu Andy Summers y Los Musicos’ „Twist and Shout“ herumgetanzt wird. Dass Watsons Gattin (dargestellt von Christy Chung [→ GEN-Y COPS]) ihre Fassade als biedere Hausfrau zu einem späteren Zeitpunkt ablegt, um sich als schlagkräftige Kampf-Amazone zu entpuppen, ist zwar maximal vorhersehbar, geschieht, als es dann tatsächlich geschieht, jedoch auch bar jeder Erklärung.

Irgendwann befindet man sich dann aus heiterem Himmel in irgendeiner Höhle, um pflichtschuldig den Showdown einzuläuten. Warum das Finale ausgerechnet hier stattfinden muss und wieso plötzlich alle davon wissen und aufwändig mit schwerem Gerät anreisen, das weiß lediglich der Geier. Ist eben einfach so! Dummerweise geht dem MEDAILLON ausgerechnet in diesem letzten Akt vollends die Puste aus. Das (natürlich stattfindende) Ableben des Oberschurken geriet derart antiklimaktisch, das grenzt schon an Leistungsverweigerung. Davor kommt es zwar immer mal wieder zu kleineren Kämpfereien (unter anderem auch mit dem späteren Action-Star Scott Adkins [→ WOLF WARRIOR]), aber die sind nur kurz und reißen niemanden vom Hocker. Und wenn kurz darauf der Abspann rollt und das Meiste auch schon wieder vergessen ist, wundert man sich, dass man damals offenbar tatsächlich der Meinung war, mit dieser belanglosen Luftnummer Jackie Chans Karriere befeuern zu können. Immerhin ist das Ding flott erzählt und Fans des Hongkong-Kinos schätzen den Auftritt Anthony Wongs [→ BLACK MASK] oder entdecken sogar Nicholas Tse [→ SHAOLIN] und Edison Chen [→ THE SNIPER], die mal flink durchs Bild huschen. Und wer schon immer der Meinung war, dass Kuss-Szenen exakt das sind, was Jackie Chan-Filmen bis dahin stets gefehlt hatte, der ist hier ebenfalls an der richtigen Adresse.

Laufzeit: 85 Min. / Freigabe: ab 12

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen